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Kultur: Kapitalisten und Kohlenarbeiter

Das Haus am Lützowplatz feiert 50. Geburtstag und zeigt Kunst aus der Welt der Arbeit.

Im Haus am Lützowplatz kommt zur Zeit allerhand zusammen. Das Kunsthaus feiert sein 50-jähriges Bestehen, der Geburtstag von Mitbegründer Willy Brandt jährt sich zum 100. Mal und die SPD wird Ende Mai 150. Aus diesen Anlässen zeigt das gewerkschaftsnahe Haus eine kleine, feine Ausstellung: „Streitobjekt Arbeit“ stellt knapp 50 Werke zum Thema Industriearbeit aus der Sammlung des Willy- Brandt-Hauses vor.

Wunderbare Holzschnitte hängen da von Gerd Arntz, dem Wegbereiter des Piktogramms. Seine gesichtslosen Männlein repräsentieren auf vier Blättern von 1931 die Gesellschaft der Weimarer Republik, sauber getrennt nach Klassen: unten Arbeitslose und Prostituierte, in der Mitte Männer, die sich ein Bier leisten können, oben Priester und Unternehmer. Auf einem Stahlstich von Conrad Felixmüller lässt „Der alte Kohlenarbeiter“ seine Armmuskeln spielen, und „Der Kapitalist“ aus George Grosz’ Zeichenfeder trägt eine so straff gespannte Weste, dass sich der Besucher sogleich wundert: Hatten Fabrikanten damals tatsächlich derart dicke Bäuche?

Solche Fragen interessieren Maren Ziese. Die Kuratorin der Sammlung zählt zu jenen nachrückenden Kunsthistorikerinnen, die sich alte Themen mit frischem Blick vornehmen – wie soeben erst in Cottbus, wo Ulrike Kremeier, die neue Direktorin des Kunstmuseums Dieselkraftwerk, das Depot nach Porträts durchforscht hat. Was sie eint, ist ihr sachlicher Fokus auf Motive: Was sehen wir da überhaupt, so fragen sie, und wofür steht es?

Hier sind es zuallererst die leeren Augen. Felixmüllers Ruhrpöttler starren aus schwarzen Ringen und Franz Wilhelm Seiwerts Arbeiter schauen ins Nichts. Die Frau, die auf Hajo Roses Linolschnitt einem Erwerbslosen eine Hand auf die Schulter legt, guckt an dem Mann vorbei. Blicke, in denen sich Erschöpfung und Beziehungslosigkeit spiegeln, sagt Ziese, seien typisch für damalige Darstellungen von Arbeitern.

Übersichtlich geordnet hängen hier Fabrikansichten, da Alltagsansichten, dort Bilder von Arbeitskampf und Resignation. Im Studio über den Hof schließlich baut die Künstlergruppe Hartz4Arts, die Ziese eingeladen hat, an einer Rauminstallation zum Thema Tätigkeitsgesellschaft. Eine Brücke zwischen beiden Ausstellungsteilen gibt es nicht: Die Frage, was aus der Arbeit geworden ist, bleibt absichtsvoll offen. Doch bevor Antworten fallen, feiert man im Haus am Lützowplatz noch mehr: Karin Pott, die langjährige Leiterin, verabschiedet sich , zugleich gibt Marc Wellmann, der vom Georg-Kolbe-Museum gekommen ist, seinen Einstand. Claudia Wahjudi

Haus am Lützowplatz, Lützowplatz 9, Tiergarten: Bis 30.6., Di bis So 11 bis 18 Uhr

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