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KARAJANS Klassiker (2): Lust auf Welt

Vorm Glück hat er manchmal fast Angst. Da gibt es in Bruckners Neunter, erster Satz, ein Seitenthema, wo man aufatmen könnte, frei sein und weit, so etwas wie glücklich.

Vorm Glück hat er manchmal fast Angst. Da gibt es in Bruckners Neunter, erster Satz, ein Seitenthema, wo man aufatmen könnte, frei sein und weit, so etwas wie glücklich. Karajan aber lässt die Geigen fiebrig klingen. Es ist, wie wenn einem vor lauter Weite eng wird, wie einem ausgerissenen Kind. Momente wie dieser machen erst recht glaubwürdig, mit welcher Lust auf Welt die Berliner Philharmoniker und ihr Chef 1966 diese Sinfonie realisieren. Bei Karajan steht die Musik für nichts, sie führt zu nichts, sie ist.

Nie klang Bruckner so unmittelbar und unberechenbar, vor allem im letzten Satz. Gierig umfassen die Streicher den Beginn dieses Adagios. Das ist keine schlackenlose Linie auf der G-Saite, sondern die Erkundung eines Körpers. Alles lebt, aber auf unterschiedlichste Weise. Ein Fortissimo kann so massiv hochstoßen, halb Felswand und halb Drachenhaupt, dass man den Kopf in den Nacken legen muss, um noch Licht zu sehen. Die Blechbläser knattern manchmal wie in einem Römerfilm, gar nicht glatt und pauschal, das macht sie gefährlich. Die Streicher schieben einen A-Dur-Akkord mit einem außerirdisch fettigen Glitzern raus, wie lebendes Mineral. Und die letzte Dissonanz vorm Schluß krümmt und ballt sich so schonungslos fies, dass man sie noch lange sieht. Es ist spannend, abenteuerlich. Aufnahmetüftler Karajan hat außerdem dafür gesorgt, dass auch mit kleinen Boxen die Bässe richtig wummern. Das muss so. Volker Hagedorn

Bruckner, 9. Sinfonie, 1966 (DG)

Am 5. April 1908 wurde in Salzburg

Herbert von Karajan geboren.

Bis zu seinem 100. Geburtstag hören wir

ihn täglich: das Schönste aus seinen

690 erhältlichen Aufnahmen

Volker Hagedorn

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