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Die "Bodenworte" von Carius. Eine Ausstellungsansicht im Kunsthaus Dahlem

© Yorck Maecke / Kunsthaus Dahlem

Karl-Eckhard Carius im Kunsthaus Dahlem: Schlachtfeld der Begriffe

Ambivalentes Lehrerverhältnis: Der Berliner Bildhauer Karl-Eckhard Carius legt Betonplatten im Kunsthaus Dahlem aus.

Niemand, der das Kunsthaus Dahlem besucht, kann sich von dem Unbehagen an der Geschichte freimachen, die das ehemalige Atelier von Hitlers Lieblingskünstlers Arno Breker in seiner martialischen Architektur ausstrahlt. Für jeden zeitgenössischen Künstler, der dort ausstellt, muss der kontaminierte Boden eine ähnliche Herausforderung darstellen wie der Deutsche Pavillon auf der Biennale von Venedig, der seit seinem Umbau 1938 zu einem Manifest nationalsozialistischer Baukunst geworden ist.

Für den 1942 in Berlin geborenen Karl-Eckhard Carius dürfte die Ausstellungseinladung sogar eine doppelte Herausforderung bedeutet haben. Als Meisterschüler des Bildhauers Bernhard Heiliger, der nach dem Krieg das Atelier seines Lehrers Arno Breker bezog, befindet sich Carius an diesem Ort in einer nicht unproblematischen Lehrer-Schüler-Genealogie. Der ehemalige Designprofessor begegnet dieser Herausforderung in seiner Ausstellung mit einer Bodeninstallation aus 7 mal 11 Betonplatten, die mit Schlagworten und Namen der 68er-Bewegung bedruckt sind.

Carius knüpft damit an seine frühen Installationen von 1970 an, in denen seriell angeordnete Textflächen auf Papier Denkräume eröffnen sollten. Auf dem Boden des ehemaligem Ateliers von Breker und Heiliger erscheinen die zu einem Rechteck angeordneten „Bodenworte Urworte 68“ nun wie Grabplatten, die fünfzig Jahre nach 1968 an die ideologische und personelle Basis der Studentenrevolution erinnern: intellektuelle Revolte und Notstandsgesetze, Vietnamkrieg und Vietcong, Rudi Dutschke und Benno Ohnesorg, Antibabypille und sexuelle Befreiung, Sit-ins und Love-ins, Woodstock und LSD, Prager Frühling und konkrete Utopie, Antiautoritarismus und Kinderladen, Weiberrat und Emanzipation, APO und SDS, Joseph Beuys und Bazon Brock heißen einige der Schlagworte und Namen.

Es fehlt an einer Haltung

„Geblieben auf dem Schlachtfeld der Begriffe“ lautet der Untertitel der Installation, die laut Theoretiker Bazon Brock ein „Generationen- und Epochendenkmal“ und gleichzeitig einen „Heldenfriedhof des Scheiterns“ darstellt. Dass sich Brock damit selbst zu einem epochalen Helden des Scheiterns erklärt, gehört zu den dialektischen Volten und paradoxen Bonmots des streitbaren Denkers.

So wenig sich Heiliger als Repräsentant der deutschen Nachkriegsmoderne in seiner dezidiert unpolitischen Kunstauffassung der eigenen Rolle im Dritten Reich und seiner Nähe zu Arno Breker stellte, so sehr versucht Carius in der begleitenden Publikation sein eigenes ambivalentes Lehrerverhältnis offenzulegen. Die gescheiterte „Entführung des Akademieprofessors Bernhard Heiliger ins Paradies“ als Kunstaktion bildete 1969 den Höhepunkt seiner kritischen Auseinandersetzung. Ein halbes Jahrhundert später, mit der aktuellen Bodeninstallation, bleibt sie nun seltsam ambivalent und unentschieden.

Anders als Hans Haacke, der 1993 bei der Biennale in Venedig die Bodenplatten des Deutschen Pavillons aufbrechen ließ, so dass die Besucher über ein Trümmerfeld stolperten, fehlt es angesichts der Dahlemer Bodenworte an einer Haltung. Sie scheint sich im „Labyrinth der Ereignisse“, so der Titel der Publikation, zwischen Aktion, Fotografie, Installation, Zeichnung, Poesie und Prosa zu verlieren. Carius’ heutige Position ist weder bodenlos noch fundamentalistisch, sondern letztlich belanglos.

Kunsthaus Dahlem, Käuzchensteig 8, bis 7.1.2019. Mi bis Mo 11 – 17 Uhr. Katalog (Distanz Verlag) 39,90 €

Dorothea Zwirner

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