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Kultur: Kartenlegen

ALL THAT JAZZ Christian Broecking fragt sich, ob Präsidenten gute Pianisten sein sollten Ein ungewöhnliches Video ist zurzeit auf der Internetseite des Lincoln Center, www.jazzatlincolncenter.

ALL THAT JAZZ

Christian Broecking fragt sich,

ob Präsidenten gute Pianisten sein sollten

Ein ungewöhnliches Video ist zurzeit auf der Internetseite des Lincoln Center, www.jazzatlincolncenter.org, zu sehen. Es zeigt Ausschnitte einer Diskussionsrunde über die Frage, wie der Jazz die amerikanische Demokratie beeinflusst hat und ob etwas von dieser zurückgestrahlt hat. Zu den Gesprächspartnern gehörte auch Ex-Präsident Bill Clinton. Alles war erlaubt. Also auch Fragen wie „Hätte Watergate verhindert werden können, wenn Nixon mehr Klavier gespielt hätte?“ oder „Wäre der Irak-Krieg vermeidbar gewesen, wenn sich Bush auch musikalisch betätigen würde?“

Der jüdische Saxophonist und Grenzgänger John Zorn und der jüdische Gitarrist Marc Ribot schrieben 1992 das Manifest für eine Radical Jewish Music. Die beiden New Yorker waren zutiefst davon irritiert, dass die Sounds der deutschen Independant- Szene nicht mehr eindeutig von jenen der neofaschistischen zu unterscheiden waren. Doch zumindest bei Ribot hat sich die Aufregung gelegt. Obwohl er auf John Zorns Tzadik-Label veröffentlicht, kritisiert er heute seine einstigen Mitstreiter dafür, sich wie alte orthodoxe Juden zu benehmen, obwohl sie ohne religiöse Bindung aufgewachsen seien, und findet, dass jüdische Musiker aus dem New Yorker East Village sich nicht durch Klezmer repräsentieren sollten. Das sei konstruierte Authentizität in einer lächerlichen Pose, sagt Ribot. John Zorn traf diese Kritik jedoch nie, unbeirrt setzte er seine Filmmusikcollagen, Hommage- und Masada-Projekte fort und schuf ein eigenes Musiker-Netzwerk der Spitzenklasse. Zorn, der von sich mal behauptet hat, ein Komponist zu sein, der gelegentlich Saxofon spielt, kommt am Freitag für einen seiner äußerst seltenen Berlin-Auftritte als Dirigent oder, ja, vielleicht sollte man besser sagen, als musikalischer Kartenweiser ins Haus der Berliner Festspiele . Denn seine 1986 erstmals aufgeführte Komposition „Cobra“ besteht aus einer Reihe bunter Karten, die Zorn den beteiligten Musikern gelegentlich hinhält um den Fluss des kontrollierten Chaos zu steuern (20 Uhr).

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