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Kultur: Katerstimmung nach der Euphorie

Das Auktionshaus Ketterer zieht sich vorerst aus Berlin zurück

Die Nachricht überrascht nur auf den ersten Blick: Das Auktionshaus Ketterer storniert seine diesjährige Berliner Herbstauktion mit „Klassikern der Gegenwart“. Zusammen mit der Spezialauktion für zeitgenössische Kunst „Perspective“ wird das Angebot mit Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts in die große September-Auktion in Hamburg integriert. Sechsmal hatte das Münchner Traditionshaus in Berlin zu Auktionen geladen, zuletzt ins Atrium der Dresdner Bank am Pariser Platz. Große Erfolge sind indes ausgeblieben, sieht man von spektakulären Einzelverkäufen einmal ab. Gerhard Richters „Frau mit Hund am See“ konnte etwa beim Berliner Debut für 570 000 Mark verkauft werden, Joseph Beuys’ „Sonde im Blutkreislauf des Elches“ ging 2001 für 112 000 Mark in die Sammlung Bastian. Zuletzt standen Aufwand und Ergebnis für die Berliner Auktion in einem eklatanten Missverhältnis: Im letzten Jahr konnten nur 74 von 251 angebotenen Kunstwerken verkauft verden.

Leere Repräsentanzen

Auf die Euphorie, mit der 1997 Räume in Berlin bezogen wurden, folgte der Kater: Nach nur zwei Jahren gab Ketterer die Berliner Repräsentanz im Kempinski Plaza wieder auf, der angekündigte Umzug blieb aus. Wobei Ketterer nicht das einzige Auktionshaus war, das ernüchtert wieder auf seine ständige Berlinpräsenz verzichtete. Im gleichen Jahr wie die Münchner schloss auch Sotheby’s seine Berliner Repräsentanz. Und bis heute gehören die teilweise äußerst reizvollen Berliner Büros der nationalen und internationalen Auktionshäuser nicht gerade zum Zentrum des gesellschaftlichen Lebens.

So finden in den im Sommer 2001 eröffneten Räumen von Phillips (Kurfürstendamm 50) bisher nur ein bis zwei Mal jährlich Präsentationen von Meisterstücken kommender Auktionen statt. In seine Räume in der Linienstraße 153 lädt das Kölner Kunsthaus Lempertz immerhin neben den Ausstellungen öffentlich zu Expertentagen ein – das nächste Mal am 22. und 23. August zur Fotografie. Christie’s eröffnete 1990 Räume in der Fasanenstraße, seit 1999 residiert das Berliner Büro in der Giesebrechtstraße 10. Auch hier ist es im letzten halben Jahr ruhiger geworden. Aber Anfang September wird eine Ausstellung mit Silber und Porzellan aus dem Preußischen Königshaus eröffnen. Auktionen in Berlin hat allerdings bisher keiner der global player veranstaltet.

Erfolge erzielten dagegen die hiesigen Auktionshäuser mit einem in Berlin verwurzelten Angebot. Schon die kleineren Auktionshäuser, die sich spezialisiert haben, wie Irene Lehr mit Kunst aus der ehemaligen DDR oder Bassenge mit alter Kunst, konnten in diesem Jahr gute Ergebnisse verzeichnen. Allen voran baute die Villa Grisebach mit der diesjährigen Jubiläumsauktion ihre Führungsrolle in Deutschland für Kunst des deutschen Im- und Expressionismus noch einmal aus. Die Auktionsergebnisse des Vorjahres konnten um 45 Prozent übertroffen werden, mit 4000 Besuchern war das Interesse groß wie noch nie. Für Bernd Schultz, geschäftsführender Gesellschafter der Villa, steht die Frage des Ortes für den Erfolg nicht an erster Stelle: „Für uns spielt Berlin eine emotionale Rolle, für die Sammler ist allein das Angebot wichtig.“

Tauziehen um die Kunst

Und das ist immer schwieriger zu beschaffen. Seitdem auch in London und New York das Interesse für die vergleichsweise bezahlbaren Klassiker deutscher Meister aufgeflammt ist, brodelt im Hintergrund der glanzvollen Auktionen ein Kampf um die verbleibenden renommierten Sammlungen und die wenigen Spitzenwerke, die Höchstpreise erzielen. Der Markt ist wählerischer denn je. Hier liegen letztlich auch die Gründe für den Rückzug des Hauses Ketter aus Berlin. „Unser Anspruch an die ,Perspective’ ist es heute, wie auch in den vergangenen fünf Jahren, unseren Kunden ein besonders exklusives Angebot marktfrischer und qualitativ hochwertiger Ware zu offerieren“, so Ketterer. „Aufgrund der extremen Knappheit dieser Qualitätsware in diesem Jahr haben wir uns nun entschlossen, die Perspektive 45/02 ausfallen zu lassen.“ Es soll kein endgültiger Rückzug werden. Vorerst aber ist es ein konsequenter Schrit, denn mit durchschnittlicher Händlerware ist auch in Berlin kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Katrin Wittneven

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