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Kultur: Katholische und Evangelische Kirche unterzeichnen "Meilenstein auf dem Weg zur Einheit"

Fast 500 Jahre nach der Reformation haben die katholische und die evangelische Kirche am Sonntag die Hauptursache ihrer Spaltung überwunden. In einem Festgottesdienst in Augsburg unterzeichneten Spitzenvertreter des Vatikans und des Lutherischen Weltbunds (LWB) die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre.

Fast 500 Jahre nach der Reformation haben die katholische und die evangelische Kirche am Sonntag die Hauptursache ihrer Spaltung überwunden. In einem Festgottesdienst in Augsburg unterzeichneten Spitzenvertreter des Vatikans und des Lutherischen Weltbunds (LWB) die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Damit hoben sie die gegenseitigen Lehrverurteilungen in der zentralen theologischen Frage der Erlösung des Menschen durch Gott auf.

Bei seiner Angelus-Ansprache in Rom würdigte der Papst die Einigung als "Meilenstein auf dem nicht leichten Weg der Wiederherstellung der vollen Einheit unter den Christen". Die Überwindung aller konfessionellen Spaltungen des zweiten Jahrtausends sei damit "sehr nahe" gerückt.

Zu dem ökumenischen Jahrhundertereignis am Reformationstag waren Hunderte Gäste aus aller Welt nach Augsburg gereist, darunter viele Bischöfe. Nach einer Andacht im Dom zogen die Teilnehmer in einer langen Prozession mit katholischem Weihrauch und evangelischem Posaunenchor zur Annakirche. Dort wurde die Gemeinsame Erklärung unter anderem vom Präsidenten des vatikanischen Einheitsrats, Kardinal Edward Cassidy, und vom LWB-Präsidenten, dem Braunschweiger Landesbischof Christian Krause, unterschrieben.

Dass der Papst nicht persönlich zur Unterschrift nach Augsburg gekommen war, löste bei den Protestanten Unmut aus. Auch der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, Kardinal Josef Ratzinger, blieb der Feier fern. Darüber zeigte sich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, enttäuscht: "Es wäre wichtig gewesen, dass Kardinal Josef Ratzinger gekommen wäre." Sein Fehlen zeige "eines der Probleme, die noch bestehen". Mit der Gemeinsamen Erklärung sei das Ziel des ökumenischen Dialogs noch nicht erreicht.

In einem Brief an LWB-Präsident Krause bedauerte Bundespräsident Johannes Rau (SPD), dass er aus Termingründen nicht an der Zeremonie teilnehmen konnte. Die Gemeinsame Erklärung bringe das "gemeinsame Denken, Glauben und Handeln" der Christen voran, schrieb Rau.

In dem ökumenischen Dokument einigen sich die Kirchen darauf, dass der Mensch allein auf Grund des Glaubens und der Barmherzigkeit Gottes erlöst ("gerechtfertigt") werde. Die guten Taten des Menschen seien nicht Bedingung, sondern "Früchte" der Erlösung. Dem göttlichen Zuspruch der Gnade folge der ethische Anspruch, auf diese Gnade mit guten Taten und einem christliches Leben zu antworten.

Damit wurde der Grundansatz des Reformators Martin Luther (1483-1546) bestätigt. Gegen Luther hatte die katholische Kirche lange daran festgehalten, dass der Mensch durch gute Taten und durch den Empfang der kirchlichen Sakramente etwas zu seinem Seelenheil beitragen könne. Im Streit um diese Frage zerbrach die abendländische Kircheneinheit. Millionen von Menschen verloren in den folgenden Konfessionskriegen ihr Leben.

Nach dem Willen der beiden Kirchen soll die Gemeinsame Erklärung eine Grundlage für die Lösung der weiter bestehenden Streitthemen sein. Durch eine "versöhnte Verschiedenheit" in der Bewertung der kirchlichen Ämter und Sakramente soll bald auch die Trennung bei der Abendmahlsfeier aufgehoben werden. "Viele Probleme harren noch sorgfältiger Prüfung und bedürfen umsichtiger Klärung", sagte Krause."

Nach den Worten Kocks betrifft die Einigung nicht nur die lutherischen, sondern auch die reformierten Kirchen innerhalb der EKD: "Sie markiert eine bedeutsame Annäherung zwischen allen reformatorischen Kirchen und der römisch-katholischen Kirche in einer zentralen Frage der christlichen Lehre."

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