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Kultur: Kein Punkt.Nirgends.

Sie laufen.Sie gehen.

Sie laufen.Sie gehen.Manchmal stehen sie auch, gern in windschiefer Schräglage.Dann befällt sie etwas wie Tanz; sichelnde Armbewegungen etwa oder Verschränkungen der Arme hinter Nacken und Rücken.Dann laufen sie wieder - in jeder erdenklichen Art: schnell und langsam, trippelnd, stampfend, in gewundenen Bahnen oder einfach vor und zurück.Sie formieren sich zum Pulk, als frontale Reihe, in der Diagonalen.Sieben Personen im Irgendwo.Die Bühne im Theater am Halleschen Ufer ist schwarz und leer.Von der Decke hängen, diagonal in die Tiefe gestaffelt, Neonröhren.An der linken Seite (Installation und Licht: Thilo Reuther) stehen zwei beleuchtete Reklametafeln, dazwischen senkrechte Neonlampen - ein anonymer Platz, kein Ort für Begegnungen.

Die Bühne ist leer, und sie wird es auch bleiben.Denn was Anna Huber in den 65 Minuten ihres ersten Gruppenstücks "die anderen und die gleichen" vorführt, ist ein Abgrasen von Ideen in Klippschulmanier.Da bleibt keine Variante des Themas Gehen ausgespart, nur fügen wollen sie sich zu nichts.Von Anfang an beherrscht den Raum eine bemerkenswerte Unterspannung.Kein Punkt wird gesetzt, von dem aus sich irgend etwas erschließen ließe: kein formaler, kein dramaturgischer, kein ästhetischer.Keine Geschichte, keine Handlung, auch kein abstraktes Durchspielen von Konstellationen.Wovon also will Anna Huber berichten?

Vielleicht von der Konfrontation zwischen Individualität und Konformität.Die Ahnung könnte man haben, da immer wieder einer aus der Gruppe herausfällt, aus dem Bewegungsverbund spastischer Zuckungen ausschert.Dann stockt das Kollektiv, schaut stumm - vorwurfsvoll wäre schon zuviel gesagt.Denn soviel Information gibt Anna Huber ihren Figuren nicht mit auf den Weg, Konflikt, Reibung gar sind das Thema nicht.Die anderen sind längst die Gleichen.Was also sollten sie schon wollen? Sie treiben - wie das Stück - in einem Zwischenreich der Unentschiedenheit.Das macht die Darstellung für die Akteure Heiko Büter, Banessa Kienast, Fine Kwiatkowski, Krist¿yna Lhotßkovß, Britta Schönbrunn, Günther Wilhelm und Udo Zickwolf zu einer zähen Arbeit.Wie stellt man Leer dar? Mit leeren Mitteln? In einem leeren Raum? Alle sind irgendwie da und zugleich auch nicht.Ihre momentanen Verknäuelungen, ihre Reihungen auf Linien sind absolut beliebig und austauschbar.Flächig legen sie sich in die Raum.Jederzeit können sie so oder auch anders sein.Nichts davon ist zwingend oder dringt zu irgend etwas vor.

So begleitet auch Wolfgang Bley-Borkowski, ein Komponist von beachtlichem Potential, die Szene diesmal so, wie man eben eine solche Nichtigkeit begleiten kann: mit meist zarten, perkussiven Tönen.Aber auch er kann dieser menschenleeren Stadtlandschaft kein Leben einhauchen.So wenig wie Thilo Reuther, der immerhin nach Kräften versucht, durch geschickte Lichtwechsel ein Minimum an Spannung zu erzeugen.Doch die Temperatur bleibt einheitlich unterkühlt, unnahbar und sprachlos.

Seit geraumer Zeit versucht man, derlei plane Aussagelosigkeit mit einigem intellektuellen Aufwand zur neuen Konzeptkunst zu adeln.Vom Verschwinden der Choreographie ist dann gerne die Rede oder vom sogenannten Nullpunkt Tanz.Aber eine Konzeptkunst ohne Konzept und taugliche Mittel führt nirgends hin.Auch gedankliches Lifting kann das schiere Unvermögen nicht kaschieren.Eher mag man hier wahlweise Eitelkeit oder Verzweiflung am Werk sehen, aus dem Nichts einen neuen Trend zu destillieren, der sich um Bühnenwirksamkeit nicht mehr schert.Nur folgen muß man dem nicht.

NORBERT SERVOS

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