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Kein Quantum Trost: Was wird aus Bond? MGM ist pleite

Nach Jahrzehnten des Niedergangs hat das MGM-Studio in der letzten Woche einen Insolvenzantrag gestellt. Glanz und Elend eines legendären Hollywoodstudios.

Dass etwas unweigerlich zu Ende geht, erkennt man meist an dem besonderen Eifer, mit dem das Weitermachen beschworen wird. Im Fall des legendären Hollywood-Studios MGM, das nach Jahrzehnten des Niedergangs letzte Woche in Manhattan einen Insolvenzantrag stellte, darf man sich auf Expansionspläne freuen. Vergangenes Jahr kamen unter dem Namen mit dem zuletzt nur noch heiser brüllenden „Leo the Lion“ noch vier Filme ins Kino, das bedeutete für das angeschlagene Label einen unrühmlichen Platz 18 im Ranking der Studios. Die voraussichtlich neuen Herren im Hause MGM, Roger Birnbaum und Gary Barber, wollen künftig sechs Filme jährlich herausbringen – also ein Drittel mehr.

Schlecht stehen die Chancen dafür nicht, schließlich führen Birnbaum und Barber die 1999 gegründete Produktionsfirma Spyglass, die Hits wie „The Sixth Sense“ und „Bruce Allmächtig“ produziert hat und demnächst Florian Henckel von Donnersmarcks „The Tourist“ ins Kino bringt. Wenn das Insolvenzverfahren für die mit vier Milliarden Dollar überschuldete Firma funktioniert, will das Duo mit fünf Prozent Anteilen – den Rest übernehmen die zu Eigentümern werdenden Gläubiger – bei MGM einsteigen und das marode Unternehmen aus der Krise führen. Andererseits fragt sich die Branche bereits, ob MGM Filme künftig produziert und auch selbst verleiht, wie sich das für ein richtiges Studio gehört. Oder ob es, nach dem Rauswurf der meisten der 400 Angestellten, unter Spyglass-Regie eher abgewickelt wird zum Lieferanten für US-Kabelfernsehproduktionen.

Traurige, sehr gefühlsvermischte Nachrichten aus der medialen Abfallwirtschaftswelt sind das, die dieser Tage aus Hollywood dringen. Und hoch symbolische allemal. Denn MGM, 1924 vom Kinokettenbesitzer Marcus Loew aus dem Zusammenschluss der Produktionsfirmen Metro, Goldwyn und Mayer gegründet, gilt als der alle überstrahlende Leuchtturm des frühen Hollywood. Unter dem Impresario Irving Thalberg, der das Kreativgeschäft des Filmemachens auf möglichst viele Köpfe verteilte und schon früh Testvorführungen über das Schicksal von Filmen entscheiden ließ, setzte sich das Studiosystem als die gewinnbringende Ideologie Hollywoods durch. MGM fuhr damit jahrzehntelang vorzüglich. Hunderte von Oscar-Nominierungen und ein Dutzend Trophäen für den besten Film hat die Firma vorzuweisen.

„Vom Winde verweht“, „Mata Hari“, „Ben Hur“ und „2001 – Odyssee im Weltraum“ sind Legenden des Kinos – und lange her. Fern auch der Glanz von Stars wie Judy Garland, Janet Leigh, Ava Gardner, Fred Astaire, James Stewart und Gene Kelly, um nur einige wenige aus der MGMPromi-Liste aufzuführen. Mit dem Aufkommen des Fernsehens ging die Übermacht des Studios zur Neige, stete Besitzerwechsel – allein der Casino- und Hoteleigner Kirk Kerkorian kaufte und verkaufte MGM dreimal, zuletzt 2005 an ein von Sony geführtes Vier-Firmen-Konsortium – führten zu wachsenden Schulden und gaben dem Traditionsnamen den Rest. Die Besitzer der letzten vier Jahrzehnte einte vor allem das Profitinteresse am bedeutenden, über 4000 Titel umfassenden Filmarchiv. Die Produktion selbst spielte eine immer marginalere Rolle.

Heute sorgt man sich vor allem um das Schicksal zweier großer MGM-Restprojekte. „Der kleine Hobbit“, der in zwei Teilen die Vorgeschichte der weltweit ungeheuer erfolgreichen „Herr der Ringe“-Trilogie erzählen soll, dürfte angesichts des finanzkräftigen Produktionspartners Time Warner gesichert sein. Schlimmer sind die Perspektiven für „Blood Stone“, den 23. Bond. Der unkaputtbare Serienheld, der in seinen besten Zeiten alle zwei Jahre das Publikum beglückte, dürfte – wenn überhaupt – frühestes Ende 2012 ins Kino kommen, fast fünf Jahre nach „Ein Quantum Trost“. In beiden Fällen sind die verpflichteten Star-Regisseure, Guillermo del Toro und Sam Mendes, nach jahrelangem MGM-Trudelkurs wieder abgesprungen.

Die Bond-Filme, das größte MGM-Kapital, entstammen selbst einem Zukauf: 1981 hatte Kirk Kerkorian United Artists seinem Imperium einverleibt, eine weitere Hollywood-Legende, die zuletzt mit Tom Cruise als Chef ins Gerede kam. Klingende Namen aber – MGM führt bis heute stolz „Ars gratia artis“ im Logo – bringen nichts, wenn man den geschäftlichen Anschluss verpasst. „Die Kunst um der Kunst willen“ wirkt wie der Leitspruch eines Fossils in einem Zeitalter, da die verbleibenden sechs Hollywood-Giganten Warner, Paramount, Sony, Universal, Fox und Disney allesamt Töchter von Medien-, Elektronik-, Kommunikations- und sonstigen Vergnügungskonzernen sind, von den am schnellstmöglichen Gewinn interessierten Investorengruppen zu schweigen.

Sie alle wurden von der Finanzkrise getroffen, standen aber, anders als MGM, unter jeweils sicherem Dach. Angesichts des strukturell riskanten Filmgeschäfts verlegten sie sich an der Kandare der Bilanzbuchhalter – abgesehen von der lukrativen Neuschöpfung „Avatar“ – auf das Recycling von Erfolgsrezepten, zu erkennen an der bloßen Ziffer hinter dem Filmtitel. „Sex and the City 2“, „Toy Story 3“, „Shrek 4“: Mit diesem Sparflammen-Fantasieangebot hat Hollywood, heute nur mehr der schmale Kinofilmsektor einer gigantischen Unterhaltungsindustrie, sein gerade in Krisenzeiten ablenkungsbedürftiges Publikum abgefüttert. Ein vitales Zukunftskonzept steckt darin kaum.

MGM, seit 2005 vor allem mit dem von den letzten Käufern aufgebürdeten Schuldendienst beschäftigt, konnte nicht einmal dabei mittun. Nur der Rechtehandel mit der gigantischen Filmbibliothek brachte zwischenzeitlich Entlastung. Zwar sackten die Verkäufe ans Fernsehen ab, das sich immer weniger für die Ausstrahlung von Schwarzweiß-Klassikern oder jüngeren Kinohits interessiert. Dafür profitierte MGM – oder besser: Sony & Co. – vom DVD-Boom. Schlugen Verkauf und Verleih von MGM-Titeln noch vor drei Jahren mit rund 500 Millionen Dollar zu Buche, sank die Zahl angesichts inzwischen gut bestückter Privathaushalte und nur gemächlich anziehenden Blu-ray-Geschäfts zuletzt auf 70 Millionen. Peanuts in Zeiten, da eine Hollywood-Großproduktion kaum billiger als mit dreistelligen Millionensummen zu finanzieren ist.

„Wir hatten immer eine Antwort, einen Nachfolger, eine Fortsetzung“: Für diesen stolzen Satz steht MGM-Chef Louis B. Mayer, der das Studio in dessen erfolgreichstem ersten Vierteljahrhundert leitete. Fortsetzungen hat MGM mit „Bond“ und „Hobbit“ noch immer, nur liegen die Projekte auf Eis. Nachfolger haben sich, mit den Spyglass-Machern, auch wieder eingefunden. Nur ob und wie „Leo the Lion“ zweimal leben kann – darauf steht die Antwort noch aus.

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