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Glückliche Tage. Jutta Lampe 2002 in einer Beckett-Inszenierung. Foto: dpa

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Kultur: Keine andere

Jutta Lampe erhält den Gorvin-Preis

„Sie und niemand anders“, sagt der Mann am Rednerpult, „repräsentiert den Geist der Schaubühne auf Schauspielerseite.“ Der alten Schaubühne, müsste man eigentlich hinzusetzen, aber das versteht sich an diesem Abend von selbst. Es ist Peter Stein, der da spricht, und die Frau, die er meint, heißt Jutta Lampe. In der Berliner Akademie der Künste wird ihr der mit 25 000 Euro dotierte Joana-Maria-Gorvin-Preis verliehen. Was den Protagonisten, Freunden und Wegbegleitern jener Theaterglanzzeit am Halleschen Ufer und später am Lehniner Platz Gelegenheit gibt, die versunkene Ära zu beschwören und dem Geheimnis dieser tollen Schauspielerin nachzuspüren.

„Du bist die personifizierte Anmut und als solche ein ewiges Versprechen“, schwärmt Ernst Stötzner, der Moderator der Zeremonie, an die Adresse der Kollegin, und schickt nebulös lächelnd hinterher, Versprechen müssten naturgemäß unerfüllt bleiben. „Es ist relativ einfach“, sagt hingegen Stein. „Sie ist ein Futter für jeden Regisseur.“ Schließlich lasse sie einen spüren, dass sie unbedingt angesehen werden wolle, durchaus mit erotischem Unterton.

Vielleicht hat Jutta Lampe recht, wenn sie im Schwange sanfter Belustigung bemerkt, der Gorvin-Preis, der alle fünf Jahre von einer reinen Männerjury an eine Frau verliehen wird, sei mithin wohl ebendies: „eine Männerfantasie“. Sie selbst, die zuvor Otto Sander mit gebrochener Schulter und kräftiger Stimme Gedichte von Alfred Brendel vortragen hörte, die in zahlreichen Filmausschnitten ihrem jüngeren Selbstbild wiederbegegnete, widmet ihre Dankesrede der Namensstifterin des Preises. Jener Gründgens-Schauspielerin, mit der sie noch auf der Bühne stehen durfte, 1992 im „Schlußchor“ von Botho Strauß.

„Jutta Lampe. Träumen, Suchen, Spielen“, so ist der prächtige Bildband betitelt, den die Akademie ihr zu Ehren herausgegeben hat und der bei dieser Feier erstmals präsentiert wird. Es ist die Chronik eines überreichen Bühnenlebens und eine Sehnsuchtsgalerie. Lampe in den großen Inszenierungen von Peter Stein, Klaus Michael Grüber, Luc Bondy, in den Stücken von Anton Tschechow, Maxim Gorki, Botho Strauß, in zauberhaften Fotografien von Ruth Walz .

Strauß hat für das Buch eine Laudatio auf Jutta Lampe verfasst, die Hanns Zischler mit gravitätischem Timbre vorträgt. „Was spielt ihr denn da?“, ist sie überschrieben, wortmächtig gibt sie einem Unbehagen an der Gegenwart und ihrem Theater Ausdruck, und getragen wird sie von jener hohen Empfindsamkeit, die Strauß in seinem uckermärkischen Refugium vor der Trampelwut der ordinären Welt zu schützen sucht. Ein anschwellender Lobgesang. „Jutta Lampe war nie eine Diva, nie Publikumsschwarm oder Star – nicht einmal eine Tatort-Kommissarin“, attestiert Strauß anerkennend, und auch ihre Unverbrüchlichkeit „draußen im Alltag“ begeistert ihn. „Weder konvertierte sie zum Katholizismus, noch ist sie eine prominente Tierschützerin geworden, ja nicht einmal revolutionäre Handzettel hat sie seinerzeit an die Frühschicht der Borsigwerke verteilt.“ Hingegen sieht er sie als „effektsichere Komödiantin und Hüterin der strengen Form, gläsern zerbrechlich und expressiv sentimental, hier die Deviante, Verwundete, Abgeirrte, dort die extravagante Kunstfigur, artifiziell gerüstet bis in die Fingerspitzen.“

Es kommt dann Edith Clever auf die Bühne, Lampes alte Theatergefährtin, die sogleich zur allgemeinen Erheiterung ruft: „Wie wunderbar du dich verwandeln konntest, auch mit Schminke!“ Im Stile eines antiken Botenberichts beklagt Edith Clever den Untergang der alten Schaubühne, die „großen Schmerzen“, die er hinterließ.

Jutta Lampe aber, wie sie der Clever lauscht, wirkt sehr unverwundet. Und sehr lebendig. Patrick Wildermann

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