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Kultur: Keine Grenzen

Künstlerfilme beim Festival Doku-Arts in Berlin

Tak. Tak. Tak. Das Metronom gibt den Rhythmus vor. Derzeit entspannt, „das ist mein Lebensrhythmus“, erklärt die 94-jährige Louise Bourgeois. Nur wenn sie Kaffee getrunken habe, werde die Taktzahl deutlich schneller. Taktaktak. Geduld ist noch nie ihre Sache gewesen.

Das bekommt auch Regisseur Nigel Finch zu spüren, als er für die BBC 1994 einen Porträtfilm über die öffentlichkeitsscheue Künstlerin drehen will. Im Vorspann sind die Vorgaben zu lesen, die Bourgeois ihm machen wollte. Natürlich lässt der Regisseur sich nicht ein auf den Knebelvertrag, und dass er hartnäckig geblieben ist, rechnet Bourgeois ihm hoch an. Zwar setzt die Künstlerin immer wieder Grenzen, hält ein Schild „No Trespassing“ in die Kamera oder stellt mitten im Interview die Holzsägemaschine an, und der Rest der Fragen ertrinkt im Lärm. Aber auch wenn sie hinter einer Stellwand verschwindet und „Schluss jetzt“ verkündet, wirft sie doch zuvor noch einen verschmitzten Blick zurück.

Es ist ein hinreißender Porträtfilm geworden. Eine respektvolle, aber nie unterwürfige Annäherung an eine schwierige Künstlerin. So sieht man, wie Louise Bourgeois in ihrer Küche ihr Frühstück zubereitet, Marmelade pur, und der Löffel wird über dem Gasherd desinfiziert. Im gleichen Gasherd werden die Skulpturmodelle gebrannt, aus denen sie ihre Puppen und Torsi gießt. Dann wieder zertrümmert sie im Zorn Skulpturen und Vasen, spricht über Depression und Einsamkeit, und man liebt sie, diese tapfere 94-Jährige, die so eigensinnig ihre Unabhängigkeit verteidigt: „Ich bin ein Langstreckenläufer und auch ein einsamer Läufer“, sagt Louise Bourgois von sich.

Es ist nur eine von vielen Annäherungen an besondere Künstlerpersönlichkeiten. Insgesamt 20 Dokumentarfilme hatte das Berliner Festival Doku-Arts im Programm, das noch bis morgen die Akademie der Künste bespielt. Oft sind es letzte Gelegenheiten: So starb der Dichter Michael Hamburger, den Frank Wierke noch 2007 in Suffolk besuchte, im Juni. Auch die Dichterin Hilde Domin, die sich für Anna Ditges widerwillig vor die Kamera stellt, verstarb im Februar 2006. Und dem im November 2006 verstorbenen Robert Altman wird mit einer Dokumentation von den Dreharbeiten zu „Short Cuts“ gedacht. Louise Bourgois jedoch wird Mitte Oktober zum 95. Geburtstag mit einer großen Retrospektive in London geehrt. Christina Tilmann

Termine unter www.doku-arts.de. Der Bourgois-Film läuft heute, 13 Uhr, Akademie der Künste am Hanseatenweg.

Christina Tilmann

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