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Kultur: Keine Macht den Dogen

Verdis „I due Foscari“ an der Deutschen Oper.

Venedig im 15. Jahrhundert. Der Doge Francesco Foscari muss machtlos mit ansehen, wie sein Sohn Jacopo vom mächtigen „Rat der Zehn“ zu Unrecht verurteilt wird. Auch das Flehen seiner Gattin Lucrezia hilft nicht: Der junge Foscari muss ins Exil, wo er bald an gebrochenem Herzen stirbt. Der Doge wiederum wird von seinen Widersachern aus dem Amt gejagt, woraufhin auch er leblos zusammenbricht. Giuseppe Verdis 1844 uraufgeführte „I due Foscari“ ist denkbar handlungsarm – und darum ideal geeignet für eine konzertante Aufführung. Weil das Spannende an dem Stück ist, dass man musikalisch miterlebt, wie sich der Komponist Neuland erobert: Nach den patriotischen Chor-Stücken wie „Nabucco“ fokussiert er in seiner sechsten Oper ganz auf das innere Drama. So gelingt ihm der Blick in die Seele seiner Protagonisten, die Instrumentation ist deutlich facettenreicher als in den Vorgängerwerken.

Roberto Rizzi Brignoli holt am Mittwoch in der Deutschen Oper das Maximum aus der Partitur heraus: Subtiler als das bei einer szenischen Umsetzung möglich ist, werden die Stimmungen nachgezeichnet, die Linien sind plastischer (Solo-Klarinette!), die Klangfarben raffinierter. Die von William Spaulding vorbereiteten Chöre beeindrucken durch akustische Tiefenwirkung und feinste Lautstärken-Differenzierung.

Leo Nucci ist der Divo des Abends, von Bravostürmen umtost. Und er ist tatsächlich ein Phänomen: Welcher Sänger steht schon als Siebzigjähriger im Zenit seiner Kunst? Stolz ist dieser Doge, mannhaft und aufrecht bis zuletzt, ein Heldenbariton von dramatischer Wucht – und herzbewegend, wenn der alte Mann am Ende um seinen toten Sohn barmt. An seiner Seite kämpft Angela Meade als Lucrezia um die Rettung ihres Mannes: erst mit magischen Pianotönen und gegurrten Koloraturen, dann mit flammender Leidenschaft und tief empfundenem Schmerz. Souverän gestaltet Ramon Vargas den Jacopo – und wirkt neben diesen beiden beseelten Interpreten doch ein wenig blass.

Sicher, bei konzertanten Aufführungen wird ein Teil des Gesamtkunstwerks Oper ausgeblendet. Und doch können Abende wie dieser die Fantasie des Publikums intensiver entflammen als Inszenierungen, die mit ihrer Deutung allzu apodiktisch daherkommen – eben hier jeder zum Mitdenker wird, die Handlung ganz individuell vor seinem inneren Auge lebendig werden lässt. Frederik Hanssen

Noch einmal heute, 19.30 Uhr.

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