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Der Schauspieler und Komiker Kevin Hart

© AFP/Frederic J Brown

Kevin Harts Oscar-Absage: Das Internet ist kein moderner Pranger

Die sozialen Medien fördern die soziale Intelligenz: Ein Kommentar zum Komiker Kevin Hart, der wegen homofeindlicher Tweets die Oscar-Moderation absagte.

Von Andreas Busche

Es war der kürzeste Auftritt in der Geschichte der Oscars. Kaum 24 Stunden, nachdem die Academy nach langer, verzweifelter Suche ihren Gastgeber für die Preisgala am 25. Februar verkündet hatte, erklärte der Komiker Kevin Hart (aktuell in „Night School“) auch schon wieder seinen Rücktritt. Eine Reihe von homophoben Tweets von 2009 und 2011 waren ihm zum Verhängnis geworden. Die Academy forderte nach Bekanntwerden der Textnachrichten umgehend eine Distanzierung von den verletzenden Äußerungen (getarnt als väterliche Fürsorge), doch Hart hatte keine Lust, sich dem Druck irgendwelcher Tugendwächter zu beugen. Er schob noch eine lahme Nicht-Entschuldigung an die LGBTQ-Community hinterher und trat dann am Freitag freiwillig von seiner Moderation zurück.

Diese kleine Episode zeigt nicht nur, wie sehr die Nerven der Unterhaltungsbranche nach einem guten Jahr voller Enthüllungen von sexuellem Missbrauch und Vorwürfen übergriffigen Verhaltens blank liegen. Ein Komiker, der sich nicht zu einem Überdenken seiner unsensiblen Kommentare durchringen kann, hätte in einem Oscar-Jahr, das bereits als das diverseste in der Geschichte des Goldjungen prognostiziert wird, ja tatsächlich eine denkbar schlechte Figur abgegeben.

Das Missverständnis um Kevin Hart führt aber auch wieder vor Augen, welche Rolle die sozialen Medien als moralische Instanz übernommen haben. Das Gedächtnis des World Wide Web ist untrüglich, es mutet daher ein wenig lächerlich an, sich darüber zu beschweren, wie Hart es getan hat. Er hat den Spruch schließlich auch für würdig befunden, um mit seinen Fans geteilt zu werden. Mit den Nachwirkungen muss er nun ebenso leben wie mit dem Applaus.

Ein Werkzeug der Selbstprüfung

Natürlich gibt es Interessengruppen, die die sozialen Medien gezielt durchforsten, um Menschen zu diffamieren. Zuletzt machte der Fall des Regisseurs James Gunn („Guardians of the Galaxy") Schlagzeilen, dessen Pädophilenwitze aus seiner Sturm-und-Drang-Phase von einer rechten Trollgruppe an die Öffentlichkeit gezerrt worden waren. Doch das Internet ist kein moderner Pranger. Man sollte die neuen Medien vielmehr als evolutionäre Errungenschaft des digitalen Menschen begreifen: also keine soziale Kontrolle à la „1984“, sondern ein Werkzeug der Selbstprüfung.

Das Ökosystem „Internet“ quillt im Zeitalter der sozialen Netzwerke ohnehin über vor Müll. Daher sollten wir alle vielleicht zweimal überlegen, ob wir die (Nach-)Welt nicht besser vor unseren halbgaren Gedanken verschonen. Ein persönlicher Beitrag zum digitalen Umweltschutz sozusagen. Dieses Bewusstsein ist bislang noch nicht allzu ausgeprägt. Vielleicht aber werden zukünftige Anwärter auf die Oscar-Moderation ja einmal von dieser Entwicklung profitieren.

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