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Kultur: Kindchen, lasziv bin ich lange nicht mehr

Eva Ebner war Regieassistentin bei Max Ophüls und Douglas Sirk. Die Berlinale ehrt sie mit einem Spielfilm

Noch bevor sie das Telefon abhebt, schaltet Eva Ebner einen Gang runter. Ihre Bewegungen werden langsamer und sehr divenhaft. Ihre Stimme klingt jetzt rauer und dunkler als sonst. Nein, sagt sie, und noch mal nein, als müsse sie am anderen Ende der Leitung einen lästigen Bittsteller abwimmeln. Dabei möchte der Anrufer nur wissen, ob sie auf die Eröffnungsgala der Berlinale kommen will. Aber Eva Ebner will „durchaus nicht“. „Ich hasse Partys“, sagt sie, während sie den Hörer nachlässig auf ihre Fax-Telefon-Kombination gleiten lässt. Dann atmet sie einmal tief durch und bindet ihr schulterlanges Haar zu einem strengen karottenroten Pferdeschwanz. Geschafft. Eva Ebner mag wirklich keine Partys. Mit 81 Jahren sei man aus dem Alter raus, wo man das Spiel vom Sehen und Gesehenwerden mit Vergnügen spiele, sagt sie. Aber das ist hier nicht der Punkt. „Ich dachte, dass es vielleicht besser ist, wenn ich mich am Potsdamer Platz erst sehen lasse, wenn mein Film dort gelaufen ist. Was meinen Sie?“

Sie hat die Kopien erst vor ein paar Tagen bekommen und ist sich selbst noch nicht ganz sicher, was sie davon halten soll. Aber sie weiß, dass am Ende viel, eigentlich alles von der Reaktion des Publikums abhängt. Eva Ebner ist ja vom Fach. Mit Ende zwanzig arbeitete sie als Skriptgirl für Max Ophüls’ „Lola Montez“, mit Fritz Lang ging sie das Drehbuch für „Das indische Grabmal“ durch. Später hat sie in allen Karl-May-Filmen und in fast allen Edgar-Wallace-Produktionen assistiert. Sie hat Klaus Kinski toben und Romy Schneider am Set von Geza Radvanyis „Mädchen in Uniform“ weinen sehen. Aber keine dieser Produktionen bedeutet ihr so viel wie dieser kleine Film, der morgen Abend im Panorama der Berlinale uraufgeführt wird.

Von Fritz Lang zu Edgar Wallace

„Ich bin, Gott sei Dank, beim Film“ ist zwar nicht ganz so geworden, wie sie sich das gedacht hatte, aber es ist die erste Dreharbeit, in der Eva Ebner, seit sie vor 18 Jahren die Seiten gewechselt hat, endlich einmal im Mittelpunkt steht. Würdevoll und so gerade, als hätte sie einen Stock verschluckt, sitzt sie in ihren braunen Cordpolstern. Nur ihr Blick flackert manchmal nervös unter ihrem dicken schwarzen Lidstrich hervor. Ursprünglich wollte Lothar Lambert einen Dokumentarfilm über das bewegte Leben von „Deutschlands bekanntester Regieassistentin“ drehen. Darin sollte sie erzählen von einer Jugend als Halbjüdin in Danzig, davon, wie ihre antisemitische Stiefmutter sie mit 16 aus dem Haus jagte und wie sie dennoch durchgekommen ist, weil sie auf einem Holzlagerplatz im Hafen Arbeit und ein Zimmer fand. Doch es kam anders. Am Ende hat Lothar Lambert dann doch wieder einen seiner zotigen Lothar-Lambert-Filme gedreht, in dem Eva Ebner nicht nur sich selbst spielt, sondern auch eine alte Dame, die ein quasi-inzestuöses Verhältnis zu ihrem Sohn pflegt. Auf den Promo-Fotos lässt sie sich in einem knallengen Leopardenkleid von einem jungen Mann im Leopardentanga liebkosen.

„Das wichtigste an der Arbeit des Regieassistenten ist die absolute Loyalität zum Regisseur. Er muss alles tun, was von ihm verlangt wird“, hat sie vor Jahren einmal gesagt, als sie noch hinter der Kamera arbeitete. Heute weiß sie, dass das mit der Schauspielerei nicht viel anders ist. Auch Akteure fügen sich demütig in alles, was der Regisseur mit ihnen vorhat. Doch anders als die Regieassistentin dürfen sie zur Belohnung in den Bildern leben, die sich ein anderer von ihnen gemacht hat. Und Eva Ebner liebt diese Bilder, egal wie schrill oder schräg oder auch falsch sie sind. Sie ist, wie sie selbst sagt, sehr eitel. Heute Vormittag trägt sie eine elegante Strickkombination in Schwarz-Rot und Ohrringe, die fast so groß sind wie ihr kleines Gesicht. Auf dem viereckigen Plastiktisch in ihrem Erker stehen Schnittchen, Kuchen, eine Karaffe mit Multivitaminsaft in der Farbe ihrer frisch getönten Haare. Sie erwartet ihre Fotografin.

„Die Birgit ist etwas ganz Besonderes“, sagt sie. 1984, während der Dreharbeiten zu einem ihrer letzten Filme, einem Berliner Tatort von Wolfgang Staudte, haben sie sich kennen gelernt. Damals hat Eva Ebner der jungen Künstlerin erlaubt, sie in regelmäßigen Abständen zu fotografieren, um den Prozess des Alterns festzuhalten. Birgit Kleber darf sie auch einmal auf dem Totenbett fotografieren. Für sie rollt sie sich freiwillig wie eine Katze auf ihrem Teppichboden in Leopardenmuster zusammen. Doch als die Frau, die ihre Tochter sein könnte, sie bittet, sich etwas lasziver zu geben, muss sie lachen. „Kindchen“, sagt Eva Ebner. „Ich war schon so lange nicht mehr lasziv.“ Sie ist keine, die in der Vergangenheit lebt. Sie hat, als sie mit 64 Jahren beschloss, das Altenteil als Schauspielerin vor der Kamera zu verbringen, einen Schnitt gesetzt, hinter dem alles andere bedeutungslos wird. Denn was ist ein Karl-May-Film, wo ihr Name nur im Abspann steht, neben einem kleinen Auftritt als rothaarige Sozialistin in „Linie eins“? Was der zwanzigste Edgar Wallace gegen ihre kleine Rolle in Ulrike Ottingers „Freak Orlando“?! Gut, Hollywood hat sich nie bei ihr gemeldet, auch keiner der Regisseure, denen sie so lange treu gedient hat, ist noch einmal auf sie als Schauspielerin zurückgekommen. Aber sie durfte für einen kleinen Part im letzten Istvan-Szabo-Film nach Budapest und hatte einen Auftritt in Praunheims „Neurosia“. In der Fernsehserie „Sternenfänger“ gab sie die exzentrischste Gemüsehändlerin vom Bodensee.

Kleckerkram ist wichtig

Mittlerweile hat sie fast 200 Mal vor der Kamera gestanden. „Das war natürlich nur Kleckerkram“, sagt sie. Aber Kleckerkram, der ihr sehr wichtig ist. Alle Filmhochschüler, die sie für ihre Abschlussarbeiten engagierten, kennt sie noch mit Namen. Doch fragt man sie, welcher Film aus ihrem früheren Leben ihr am wichtigsten ist, kommt sie ins Trudeln. Mal ist es der „Blaumilchkanal“ nach Ephraim Kishon, mal Douglas Sirks Remarque-Verfilmung „A time to love, a time to die“ oder eben „Lola Montez“. Für sie hat das alles keine Bedeutung mehr. Horst Buchholz? „Sehr freundlich.“ Heinz Rühmann? „Eher hochnäsig.“ Von Hanna Schygulla weiß sie nur noch, dass sie einmal an Weihnachten bei ihr zu Hause zum Essen war. Auch an den Kammergerichtsrat Ebner, mit dem sie 17 Jahre verheiratet war, erinnert sie sich nur noch als rücksichtsvollen Mitbewohner.

Eva Ebner hatte immer viele Liebhaber. Der letzte, ein 12 Jahre jüngerer indonesischer Folkloremusiker, lebt schon seit 30 Jahren in ihrer Wohnung. Auch er hat mittlerweile viele Liebhaberinnen. Aber das macht ihr nichts mehr aus. Sie hat sich von allem Körperlichen längst verabschiedet. Eva Ebner lebt jetzt ganz in den Bildern, die andere von ihr machen, und sie denkt immer öfter ans Ende. Seit sie achtzig Jahre alt ist, hat sie sich nichts mehr gekauft. „Ich fange sogar schon an, Sachen zu verschenken.“ Eva Ebner ist sehr krank. Sie hat drei Operationen am offenen Herzen hinter sich, eine vierte wird es nicht geben. Seitdem sie außer ihren Betablockern fast nichts mehr zu sich nimmt, ist sie dünn geworden wie eine Magersüchtige. „Wenn ich mir meinen Tod wünschen könnte, würde ich gerne vor laufender Kamera einfach zusammenbrechen. Das wäre nicht nett für das Team, aber es wäre schön“, sagt sie, und ihr Blick schweift durch ihren Leopardenteppich in eine Region, in die man ihr nicht mehr folgen kann. Draußen versinkt Lichterfelde-West im Schnee.

„Ich bin, Gott sei Dank, beim Film“ läuft Samstag um 22.30 Uhr sowie am 14. (17 Uhr) und 15. 2. (22.30 Uhr) im CineStar 7 .

Stefanie Flamm

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