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Kultur: Kinder, wagt Neues!

CHORMUSIK

So funktioniert erfolgreiche Musikwerbung: Ein selbstbewusster Chorleiter motiviert seine Sänger für ein Stück außerhalb des Mainstream, die Choristen lassen sich erst mitreißen und aktivieren dann ihre Freunde und Familie. Davon wird der große Saal des Konzerthauses bei Michael Tippetts „A Child of our Time“ zwar nicht voll – doch in den Reihen sitzen viele, die den Weg zu diesem Klassiker des 20.Jahrhunderts sonst kaum gefunden hätten. Und hinterher sagen können: So schlimm war’s doch gar nicht, im Gegenteil: Tippetts Oratorium um den jüdischen Jungen, der aus Verzweiflung über die Deportation seiner Eltern den Nazi-Botschafter in Paris erschießt, ist ein bewegendes, ja ein mitreißendes Werk. Und schon ist die Hemmschwelle, sich auch mal auf etwas Unbekanntes einzulassen, wieder ein wenig niedriger geworden! Voraussetzung ist dabei natürlich, dass die Aufführung auch so überzeugend gelingt wie im Fall von Achim Zimmermanns Berliner Singakademie sowie den exzellenten Solisten Esther Lee, Susanne Schaeffer, Scot Weir und Sebastian Noack. Der groß besetzte Chor singt äußerst präzise, Zimmermann präpariert effektvolle akustische Licht-Schatten-Wirkungen heraus, die Sänger zoomen vom prachtvollen Forte zum feinen Flüstern. Dabei wird deutlich, wie dicht sich Tipett bei aller spätromantischen Süße seiner Tonsprache an barocke Vorbilder anlehnt, nicht nur in den allegorischen Versen und dem polyphon durchwebten Stimmsatz, sondern auch durch die Interpolation von Spirituals. Hat nicht auch Bach in seinen anspruchsvollsten Werken populäre Choräle verwendet, um den Hörern entgegen zu kommen?

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