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Ein fabelhafter Roman erkundet Polen.

© Illsutration: Jasmin Schäfer

Kinderbuch: Am Fuße der Karpaten, am Rand der Welt

Reise durch ein Land mit viel Fläche: Antje Bones’ fabelhafter Roman „Ein Hund namens Kominek“ erkundet Polen.

Schon optisch ähnelt die Klarinette einem Zauberstab. Ein Instrument wie ein Strich, der schlanke Korpus aus schwarzem Eben-, Buchsbaum- oder Grenadillholz ist mit Tonlöchern und Klappen besetzt und öffnet sich zu einem schmalen Schalltrichter. Und dann erst der Klang, der aus diesem Trichter aufsteigt. Die Klarinette singt und säuselt, mitunter schnurrt sie. In „Peter und der Wolf“ verkörpert sie die Katze.

„Klack! Klack!“ macht der Verschluss des Koffers, aus dem Janusz seine Klarinette hebt. Ein magischer Moment. Am Abend zuvor hat er das Instrument extra blank poliert, dabei findet der Auftritt bloß in einem halb verrosteten Auto auf einem Schrottplatz statt, und der einzige Zuhörer ist ein Hund namens Kominek. „Die ersten leisen Töne schleichen sich aus dem Instrument und treiben so langsam durch den Wagen wie die Schneeflocken vom Himmel.“ Kominek, der auf dem Beifahrersitz liegt, spitzt die Ohren. „Janusz spielt kein Lied. Er spielt keine Noten. Er spielt mit Gefühl.“ Kominek legt den Kopf schief, streckt ihn in Richtung Klarinette und klettert auf den Schoß des Musikers. Dann leckt er dessen Gesicht ab. Es ist der Beginn einer unwahrscheinlichen, wunderbaren Freundschaft.

Antje Bones erzählt in ihrem Buch „Ein Hund namens Kominek“ die Geschichte einer märchenhaften Rettung. Denn seitdem Tadeusz gestorben war, der Besitzer des „herrlichen Schrottplatzes am Fuße der Karpaten, am Rande der Stadt“, hatte Kominek das Auto nicht mehr verlassen. Auch Tiere können trauern, notfalls bis in den Tod. Und Janusz ist Postbote, für den Hund also ein Feind, den er verbellte und angriff, sobald er näher kam.

Doch der Feind hat ein großes Herz, seine Devise lautet: „Niemand sollte alleine sein.“ Gemeinsam sind Kominek und Janusz unschlagbar. Denn es zeigt sich, dass der Hund eine besondere Begabung besitzt. Wenn ihm Musik gefällt, dann stellt er sich auf seine Hinterbeine und beginnt zu tanzen, beinahe wie ein Mensch. Noch ein magischer Moment. Kominek und Janusz werden Straßenmusiker und ziehen hinaus in die Welt. Wobei die Straßen zunächst nur aus den Sand- und Kopfsteinplasterwegen bestehen, die es am Fuße der Karpaten, am Rand des Universums gibt.

Die Berliner Schriftstellerin, die in den letzten Jahren ein halbes Dutzend Kinderbücher veröffentlichte, hat für ihren fabelhaften Roman einen staunenden, oft poetischen Tonfall gefunden. Polen beschreibt sie lakonisch als „Land mit viel Fläche“. Der Winter verwandelt die Natur wie ein Maler. „Über der Nacht hat der Ostwind feinste Eiskristalle geformt, die wie Nadeln an Zweigen und Büschen hängen.“ Der Frühling kann sich nicht entscheiden. April ist ein „Flechtwerk, geflochten aus ein bisschen Winter und ein bisschen Sommer“. Alltagsphilosophie fügt sich zu Sentenzen. „Einsamkeit ist, wenn alles leer ist. Wenn du die Welt nicht mehr verstehst. Wenn alles und jeder auf einmal fremd ist.“

„Ein Hund namens Kominek“ erinnert an die Bremer Stadtmusikanten. Nur dass hier lediglich zwei Lebewesen unterwegs sind. Janusz und Kominek begegnen freundlichen, oft auch skurrilen Menschen, der legendären Sängerin Pola, einem Saxofonisten, der eigentlich ein König ist, eine alte Bäuerin steckt ihnen eine Fischgräte als Glücksbringer zu.

In der Welt, die sie durchstreifen, scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Der Weg führt über einen Geisterbahnhof mit nur einem Gleis nach Krakau und zum Hamburger Hafen, von wo aus ein Schiff sie nach Nowy Jork bringen soll, New York. Überhaupt kann man in diesem Buch en passant Polnisch lernen. „Dobry“ heißt gut, „Do widzenia“ bedeutet auf Wiedersehen.

Antje Bones: Ein Hund namens Kominek. Illustrationen von Jamin Schäfer. Knesebeck Verlag, München 2018. 120 S., 13 €. Ab acht Jahren.

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