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Eine Geschichte aus einem afrikanischen Ferienparadies.

© Jutta Bauer

Kinderbuch: Das große Lächeln für Touristen

Annette Pehnt erzählt von Kinderarbeit in Ferienanlagen in Afrika.

Schönmacherin, das klingt gut. Nach einer Arbeit, die eigentlich gar keine Arbeit ist. Sondern ein großer Spaß. Im PalmenClub, einem Urlaubsdorf irgendwo in Nordafrika, arbeiten viele solche Schönmacherinnen. Es sind junge Mädchen, eigentlich noch Kinder, die dafür sorgen, dass die Gäste dort möglichst schöne Tage verbringen. Eine von ihnen heißt Anuka und ist die Heldin von Annette Pehnts siebtem Kinderbuch.

„Wenn Asche von der Zigarette eines Gastes fiel, fing Anuka sie auf, bevor sie den Boden berührte. Wenn ein Gast sein leeres Glas zwischen den Fingern drehte, füllte Anuka es auf. Wenn auf die Sonnenterrasse Sand von den Füßen der Gäste gerieselt war, machte Anuka ihn rasch weg. Und vor allem: Wenn jemand gelangweilt oder müde in die Gegend schaute, stellte Anuka sich zwischen den Gast und die Gegend und lächelte, so schön sie konnte. Das klappte immer. Die Mundwinkel des Gastes hoben sich, als sei er Anukas Spiegelbild.“

Die gute Laune ist für die Mitarbeiter des Feriencamps zwangsverordnet. Unentwegt lächeln sollen sie, schließlich wollen die Gäste nicht von miesepetrigen Dienstvollstreckern bedient werden. Kinder mit schlechten Zähnen dürfen in der Anlage nicht arbeiten, ihr Lächeln sieht zu ungesund aus. Anuka hat Glück, sie besitzt schöne weiße Zähne. Susan, die Personalleiterin, wird von den stets in adrette blaue Dienstkostüme gekleideten Schönmacherinnen halb ironisch, halb bewundernd „Lächelchefin“ genannt. Sie führt ein strenges Regiment. Einerseits lässt sie die Gäste die „Lächelkönigin“ des Monats wählen. Andererseits wirft sie ihre Mitarbeiter schon bei geringen Verfehlungen gnadenlos raus.

Pehnt, die mit ihren Romanen für Erwachsene wie „Ich muss los“ oder „Mobbing“ bekannt geworden ist, beschreibt die Verhältnisse in dem Urlaubsparadies mit grimmiger Ironie. Selbst bei den Tieren gibt es eine Zweiklassengesellschaft. Die wilden Katzen, die um die Essensreste in den Mülltonnen der Küche kämpfen, dürfen weder gefüttert noch gestreichelt werden. Die Schoßhunde der Gäste hingegen bekommen Delikatessen vom Buffet und pinkeln in die Eingangshalle. Das Buch spielt wahrscheinlich in Ägypten, Tunesien oder Marokko, jedenfalls in einem Land, in dem Touristen auf Kamelen reiten können.

Erzählt wird die Geschichte abwechselnd aus der Perspektive des zehnjährigen Philip, der mit seinen Eltern für ein paar Wochen aus Deutschland in den PalmenClub gekommen ist, und der zwölf-, 13-jährigen Anuka. An ihren Vater kann sie sich nicht mehr und an ihre Mutter kaum noch erinnern. Mit dem Geld, das sie verdient, und dem Essen, das ihr der Koch zusteckt, versorgt sie auch ihre beiden Brüder.

Als Anuka mit ihrer Arbeit begonnen hatte, „hatte sie nicht glauben können, dass die Gäste so viel und so lange essen konnten. Sie hatten ja im PalmenClub auch nicht viel anderes zu tun.“ Was übrig bleibt, bekommen die Bediensteten. „Alle für Anuka“, in der lakonischen Sprache der kindlichen Helden formuliert, beginnt mit hartem Realismus und wendet sich ins Märchenhafte. Als Anukas Bruder Fieber bekommt und an einer Hirnhautentzündung erkrankt, schleicht sie sich davon, um ihn zu pflegen. Eine Freundin, die ihr hilft, wird entlassen. Doch jetzt solidarisieren sich die Kinder, klassenübergreifend. Die Schönmacherinnen beginnen einen Lächel- und die Touristenkinder einen Spielstreik. Gemeinsam sind sie unschlagbar.

Anette Pehnt: Alle für Anuka. Mit Illustrtaionen von Jutta Bauer. Hanser, München 2016. 141 Seiten, 12,90 €. Ab zehn Jahren.

Weitere Rezensionen finden Sie auf unserer Themenseite.

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