zum Hauptinhalt

Kultur: Kinderlieder analysieren

Wie eine Mutter die Stadt erleben kann

Charlotte ist eine eifrige Mediennutzerin: Sie guckt Fernsehen, sie spielt am Computer, sie liest oder lässt lesen. Vor allem aber hört sie. Radio, CDs und am liebsten Kassetten. Bei Autofahrten werden wir über ihre Favoriten auf dem Laufenden gehalten. Denn unsere Tochter besteht darauf, dass ihre Kassetten laufen, statt unserer Radiosender. Die schönsten immer wieder. Das strapaziert unsere erwachsenen Ohren. Wir könnten dem Kind zwar einen Walkman in die Hand drücken, aber das wäre ja herzlos. Wir hören Nachrichten schließlich auch nicht über Kopfhörer.

Inzwischen haben wir ebenfalls unsere Lieblinge: Mein Mann steht auf eine überdrehte Hörspiel-Fassung von Pippi Langstrumpf, die Astrid Lindgrens Original als bieder und brav erscheinen lässt. Genau das Richtige für den gestressten Workaholic. Ich liebe die Kinderrevolutionslieder von Janosch. „Rebellion, Rebellion, Kinderrevolution“ – in den Refrain aufmüpfiger Kinderstimmchen stimme ich mit meiner Tochter gerne ein. Besingen können wir die Rebellion, sonst kommt so was bei uns zu Hause nicht in Frage. Aber das ist ein anderes Thema.

Dann hat Charlotte die Kassette „Quatsch-Lieder mit der Maus“. Die finde ich höchst interessant. Man kann da wunderbare tiefenpsychologische Theorien aufstellen, wer solche Lieder schreibt, für wen eigentlich und warum?

Bevor Sie weiterlesen, muss ich Sie warnen, es kann jetzt ein wenig eklig werden. Wenn Sie also ein empfindliches Gemüt haben, überspringen Sie diesen und den nächsten Absatz. Da geht es beispielsweise um ein Nilpferd Susi Wong. Also, in einem Kinderlied ein harmloses dickes Tier nach dem Prototypen der asiatischen Prostituierten zu benennen, lässt schon Einiges vermuten. Aber was halten Sie denn von folgender Zeile: „Das Nilpferd Susi Wong hat hinten ’nen Propeller, und wenn es kräftig pu-u-upst, dreht der sich immer schneller.“

Noch fieser ist der Song über den Frosch mit einem Pickel am Po und die Wonnen des Pickelquetschens. Den habe ich auch mal als Bildergeschichte in einer Maus-Sendung gesehen. Mit der Erfahrungswelt jüngerer Kinder, der Maus-Zielgruppe, hat das nun nichts zu tun. Pickel, wenn auch nicht unbedingt am Po, kriegen sie ja erst als Teenies. „Das muss ’ne Frau geschrieben haben, die bei ihrem Freund nie quetschen durfte“, sagte meine Freundin Anke sofort, und schon waren wir mitten drin in der Diskussion.

Die interessierte Charlotte überhaupt nicht. Das Kind findet das Lied einfach komisch, aber nicht weiter bemerkenswert. Sein Kassettenstar ist momentan der unvermeidbare Rolf Zuckowski. Nun dröhnt aus den Lautsprechern seine „Schulweghitparade“. „Schulbus, Schulbus, jeden Morgen treff’ ich dich…“ und „Mein Platz im Auto ist hinten“. Die Zeilen sind garantiert ohne Hintersinn, einfach nur pädagogisch wertvoll. Aber langweilig. Endlose Kassettenstunden im Auto wird es nicht mehr geben. Wir fliegen. Sigrid Kneist

Kinderkassetten gibt es in den meisten Buchhandlungen und auf Trödelmärkten sowieso. Pickeltipps im Internet: http://www.netdoktor.de/krankheiten/fakta/pickel.htm

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false