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Kultur: King Kong in der Kinderstube

„Kaminski on air“: Wie DT-Schauspieler Stefan Kaminski auf offener Bühne Filme nacherzählt

Der Wind heult, die Brandung rauscht, dichter Nebel versperrt die Sicht auf das geheimnisvolle Eiland. Da! Was ist das? Ein rhythmisches Geräusch, das immer lauter wird. „Das sind Trommeln!“, ruft Regisseur Karl Denheim alias Stefan Kaminski mit knarzendem Bass. Und die Musik schwillt unheilschwanger an. „Stopp“, sagt Cellist Sebastian Hilken und schraubt an seiner Elektronik herum. „Der teuflische Nebel stimmt noch nicht ganz. Gestern war der schon mal besser.“

Das sei das Tolle, sagt Kaminski später, das man ernsthaft überlege, wie Nebel am besten klinge. Wo doch Nebel schlicht nach gar nichts klingt.

Seit 2004 läuft Stefan Kaminskis Live-Hörspielreihe „Kaminski on air“ am Deutschen Theater. Erst in der Kammerbar und jetzt in der Box & Bar. Was als ein Experiment vor Freunden und Verwandten begann, ist inzwischen schon Wochen vorher ausverkauft. 18-jährige Punker mit Nadeln in der Nase hat Kaminski bei sich in den Zuschauerreihen schon neben 80-jährigen Rentnern ausgemacht. Darunter viele, die sich zum ersten Mal ins Theater verirrt haben. Was das Geheimnis seines Erfolges ist? „Ich nehme jede Figur sehr sehr ernst, auch kleine Monster oder einfach nur ein Rascheln.“

Die Erde dröhnt unter den schweren Tritten des Königs des Dschungels. Äste splittern, grunzend bricht King Kong aus dem Gehölz hervor. Die Probebühne des Deutschen Theaters bebt unter dem Soundgewitter, das zwei spillerige Jungs in Jeans verursachen. Stefan Kaminski, 32, Absolvent der Schauspielschule Ernst Busch und seit 2001 am Deutschen Theater, blickt aus blauen Augen offen in die Welt. Doch wenn er sich in einen seiner neun Charaktere aus „King Kong“ verwandelt, können sich die glatten Züge auch zur dämonischen Fratze wandeln. Sein Musiker Sebastian Hilken, mit dem er bereits „Der weiße Hai“ aufgeführt hat, streicht hingegen mit stoischer Miene das Cello. Was ihn an „King Kong“ fasziniert? Die musikalischen Klischees, mit denen er spielen könne, sagt Hilken, von romantischem Schmalz über Melodram bis Dramatik sei alles dabei. Statt einer Partitur liegt das von Stefan Kaminski geschriebene Textbuch vor ihm auf dem Notenständer. Die Komposition hat Hilken, der oft Musik für DT-Inszenierungen schreibt, komplett im Kopf.

Stimmen und Geräusche hat Stefan Kaminski schon als Teenie nachgemacht. Vom ersten selbst verdienten Geld gleich nach dem Mauerfall kaufte der Ostberliner sich mit 15 einen Kassettenrekorder mit Mikro und fing an zu basteln. „Ich hab’ mich als Band im Radio selber interviewt und Grimms Märchen mit verteilten Rollen aufgenommen.“ Eine dieser Kassetten brachte ihm ein Hörfunkpraktikum ein und bald war Kaminski als Sprecher und Moderator erst beim ORB und dann bei weiteren Wellen on air. Die Leidenschaft ist geblieben. Derzeit sind 15 Hörbücher mit seiner Stimme auf dem Markt.

Ans Theater hat Kaminski erst gedacht, als er bei Hörspielproduktionen Schauspieler wie Dieter Mann oder Christine Schorn kennengelernt hatte. 1999 bewarb er sich mit 24 an der Ernst-Busch-Schule und wurde prompt genommen. „Da ging für mich ein Scheunentor auf“, sagt Stefan Kaminski. „Vorher war ich nur Stimme, aber da wurde ich auch Körper.“ Nach dem Ende der Ausbildung hat ihn sofort das Deutsche Theater engagiert. Neben „Kaminski on air“ ist Kaminski im Moment in vier anderen Inszenierungen zu sehen, darunter Elfriede Jelineks „Sportchor“ und Schillers „Don Carlos“, wo er den Domingo gibt. Sein Anspruch: „Gut überziehen im Komischen und wahrhaftig sein im Tragischen.“

„Ahhhhh!“ Der markerschütternde Schrei von Anne, King Kongs Braut, gellt durch den Urwald. Wild zerrt sie an ihren Fesseln. Der Riesenaffe stürmt schreiend aus dem Gebüsch, um sich die weiße Frau zu holen. Die Wangen von Multitasker Kaminski glühen. Im Sopran schreien, im Bass brüllen, sprechen, mit den Füßen in einer Kiste mit Steinen und Ästen herumtrampeln, die Plastikpalme wuscheln, an Ketten zerren und trashige Requisiten überstülpen. Ob er seine Filmadaptionen nach den lautmalerischen Qualitäten des Originals aussucht? „Geräusche sind willkommen. Aber vor allem liebe ich einfach strukturierte Filme mit Stereotypen und einer guten Symbolik.“ So wie Mensch und Natur und zivilisatorische Furcht vor nackter Archaik. Aberwitzig und überraschend soll sein „King Kong“ sein, aber auch zärtlich und melodramatisch. Auf keinen Fall eine Verhohnepipelung.

„Live-Hörspiele sind für mich Rock’n’Roll“, sagt Kaminski und sieht plötzlich fest entschlossen aus. Sie sollen eine schmutzige Sache sein, die ruhig handgemacht aussehen dürfe. „Motortown“ dagegen – das harte Kriegsheimkehrerdrama, in dem Kaminski gerade in der Hauptrolle des psychisch zerstörten Irakkämpfers Danny zu sehen ist, ist trotz Folter und Mord eine saubere Sache. Ein wütend-verzweifelter Amoklauf Kaminskis mit klar nuancierter Stimme. Im nackten Schwarz der DT-Box zum Fürchten gut zu verstehen.

Er sei ein umgänglicher Typ, sagt Stefan Kaminski, der mit „seiner auf die Bühne verlagerten Kinderstube“, wie er seine Hörspiele nennt, künftig auch auf Tour gehen will. Dafür verzichtet er seit dieser Spielzeit auf ein Festanstellungssalär. „Irgendwo fest im Ensemble ist auf Dauer nichts, da kann ich nicht ich selbst sein.“ Sein nächster Coup, Wagners „Ring der Nibelungen“, kommt trotzdem im November im DT heraus. Schon aus Gewohnheit. Gewitter, Regenbogen, der wogende Rhein und hämmernde Ambosse sind da zu erwarten. Ein Regenbogen als Geräusch? In Kaminskis Universum eine Selbstverständlichkeit. Für ihn gibt es keinen Gegenstand, den er nicht zum Klingen bringen könnte.

Die heutige Aufführung von „King Kong“ in der DT-Box ist ausverkauft. Für die Vorstellungen am 27. und 28. Juni (20.30 Uhr) gibt es ab dem 12. Juni Karten an der Theaterkasse des Deutschen Theaters, Telefon: 030-284 41 225.

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