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Kino: Bollywood in der Kirche

Indischer Pop-Sound statt Orgelmusik, grelle Disco-Lichtershow statt Kerzenschein: In das katholische Gotteshaus St. Agnes in Köln hielt am Mittwoch Bollywood mit Stars aus Indien, Tänzern und einem Heer von Statisten Einzug.

Köln - Die zweitgrößte Kirche in der Domstadt ist für einige Tage zur "exotischen" Kulisse für die schillernde Produktion eines indischen Spielfilms um Liebe und Musik geworden. Zu den Dreharbeiten am "Set St. Agnes" positionierten sich auch Catering-Wagen und Security-Leute, Dixi-Klos standen bereit. Das Kölner Erzbistum reagierte verärgert: "Wir waren in den Entscheidungsprozess nicht eingebunden, sonst hätten wir das untersagt", sagte Sprecher Christoph Heckeley.

Für den Dreh am Rhein wurde der Kirchen-Raum innerhalb von zwei Tagen "entkernt", quasi zur leeren Hülle. Auf einer riesigen Bühne sollte Sänger Himesh Reshammiya vor laufenden Kameras rocken. Der Superstar am indischen Pophimmel spielt die Hauptrolle in dem Streifen mit autobiografischen Zügen - und damit sich selbst. Der Film für TV und Kino entstehe mit 56 Drehtagen "zu 80 bis 90 Prozent" an deutschen Schauplätzen. "Das ist die größte Bollywood-Produktion, die es je in Deutschland gab", betonte Andreas Etzrodt vom gleichnamigen Produktionsbüro aus Stuttgart. "Aap Ka Suroor" (englischer Titel: "The True Love Story") soll im Sommer fertig gestellt sein und eine Art Musical auch mit Thriller- und Action-Elementen und mit einem Happy End werden.

800 Statisten

In der Kölner St. Agnes herrschte vor dem Dreh ein emsiges Treiben. Der Altar wurde verdeckt, eilig wurden Kabel abgerollt, Verstärker und Kameras geschleppt, gigantische Lautsprecher und Dutzende Scheinwerfer getestet. Die Kirchenbänke stapelten sich in einer Ecke von dem Beichtstuhl. Keyboard, Schlagzeug und Drums warteten vor einer Madonna aus Marmor auf ihren Einsatz, bevor es hieß: Bühne frei für Dutzende Tänzer und bis zu 800 Statisten, die die begeisterten Fans mimen.

Das Kölner Erzbistum hält die Entscheidung des zuständigen Pfarrers für falsch, für die Filmaufnahmen eines Rockkonzerts aus finanziellen Gründen die Kirchenpforten zu öffnen. "Das kann kein Weg aus der Finanzmisere sein", betonte Heckeley. "Eine Kirche ist nach katholischer Auffassung nicht einfach ein Funktionsraum, sondern ein Gotteshaus und dem weltlichen Gebrauch entzogen." Zudem dürfe ein Kirchenraum nicht zur reinen Kulisse werden. Viele katholische und evangelische Gemeinden kämpfen mit schrumpfenden Mitgliederzahlen und sinkenden Kirchensteuer-Einnahmen, einzelne Gemeindehäuser oder gar Kirchen wurden verkauft, neue Einnahmequellen werden gesucht.

Die Bollywood-Stories um Schöne und Schurken, um Liebe und Laster, mit Pathos, Heldentum und Kitsch verbuchen auch in Deutschland seit einigen Jahren Erfolge. Tänzern Nina Mazloumi aus Hamburg zeigte sich begeistert, dass sie bei dem Streifen mitwirken darf. "Ich mag diese Filme, sie sind fantasievoll, orientalisch und mit viel Musik und Tanz." Dagegen schimpfte ein Mitarbeiter der Kirchengemeinde: "Das hier ist Chaos, eine Katastrophe, ein Trallala - das ist doch eine Kirche." Vorsorglich wurde die 85-köpfige Film-Crew aus Indien in Papieraushängen an den Wänden der vor gut hundert Jahren geweihten Kirche instruiert: "No smoking Area". (tso/dpa)

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