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© Sony

"Cadillac Records": Und wann hatten Sie das letzte Mal gute Musik?

Muddy Waters und all die anderen: Die fünfziger Jahre rocken – in Darnell Martins "Cadillac Records“.

Wenn Menschen zusammen Musik machen, heißt es mitunter, das sei wie ein Liebesakt. Häufig ist es aber eher wie ein Kampf: ein Ringen zwischen starken Persönlichkeiten darum, wer die Führung übernimmt. Und manchmal, ganz selten, nur wenn es wirklich passt, ist es die perfekte Mischung aus beidem.

Darnell Martins Film über die Blütezeit der Chess Records im Chicago der fünfziger Jahre hat seine Schwächen. Es werden darin so viele Künstler gewürdigt, dass sie allesamt zu kurz kommen. Der Film ist recht lang, und manchmal scheint die Regisseurin nicht zu wissen, welchem Strang sie eigentlich folgen soll. Und doch ist „Cadillac Records“ einer der besten Musikfilme seit langem. Denn er entwickelt tatsächlich ein Gefühl für das Besondere an den Künstlern, deren Geschichte er erzählt – indem er ihre Musik zum Mittelpunkt macht.

Auf dem Acker, am Wohnzimmertisch, auf der Straße, in der „Macomba Lounge“ oder im Studio: Es gibt viel Musik in „Cadillac Records“. Doch niemals stimmen zwei Figuren plötzlich perfekt ein neues Lied an, für das sie in Wahrheit einen halben Tag hätten proben müssen. Immer sind da stolze Musiker, selbstbewusste Dickköpfe, die sich beim Musikmachen ergänzen und irritieren, sich gehen lassen und im Auge behalten. Mit Muddy Waters (Jeffrey Wright) und Little Walter (Columbus Short) fängt es an: eine kongeniale musikalische Partnerschaft. Und eine Freundschaft, die tragisch enden wird.

Der polnische Einwanderersohn Leonard Chess (Adrien Brody) entdeckt beide und engagiert sie für seinen Club. Den Club brennt er später nieder, investiert das Versicherungsgeld in ein Studio und Label – die Chess Records. Sein Geschäft hütet er wie seine Familie. Es gibt Zusammenhalt, Konkurrenz, Eifersucht, verbotene Liebe – und jene erstaunliche Energie, mit der sich zwei Handvoll Musiker, zur rechten Zeit am rechten Ort, gegenseitig zur Höchstleistung bringen. Noch einmal: Das Musikmachen ist wie ein Liebesakt? Na, dann hatte Chess Records eine der fruchtbarsten Orgien der Musikgeschichte am Laufen.

Es kommen hinzu: „Howlin’ Wolf“ (glutäugig: Eamonn Walker) und Willie Dixon (Cedric the Entertainer), der als Songschreiber den ganz großen Erfolg erst möglich macht. Mit Etta James (Beyoncé) und Chuck Berry (Mos Def) gelingt schließlich der Crossover von den schwarzen R ’n’ B-Charts in die Pop-Hitparaden der Weißen. Wenig später werden sie von Elvis, den Beach Boys, den Rolling Stones kopiert.

„Wenn du Gitarre spielen konntest“, sagt Dixon, „dann warst du Superman.“ Es gehört zu den größten Leistungen des Films, den unwiderstehlichen Sog dieser Klänge für junge Menschen damals erfahrbar zu machen: die schiere Erotik einer Musik, die für unsere Ohren nur noch nach Oldies klingt.

Ein exzellent gemachter Film mit exzellentem Ensemble: Jeffrey Wright gelingt ein bemerkenswert vielschichtiges, fast klischeefreies Künstlerporträt. Beyoncé zeigt in ihrer bewegenden Darstellung einer außergewöhnlichen, aber zerrissenen Sängerin erstmals, dass sie für das Kino mehr sein kann als nur Gesicht und Stimme. Und alle singen sie selbst. Diese herrliche Musik.

Cinemaxx und Toni; Originalfassung im Cinestar Sony-Center

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