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CITY Lights: Die Göttliche auf St. Pauli

Frank Noack würdigt transatlantische Beziehungen - und das Programmkino.

Noch kann niemand beurteilen, welche Bedeutung der Berlinale-Eröffnungsfilm „The International“ für die Karriere von Tykwer haben wird. Aber den Titel darf man schon jetzt loben. „The International“ ist der definitive Tykwer-Titel. Tom Tykwer ist kein Winterschläfer und kein Krieger, man stellt ihn sich nicht tödlich, rennend, im Himmel oder parfümiert vor. Aber international, das waren er, seine filmischen Vorbilder und seine Filmsprache schon immer.

Rund zehn Jahre ist es her, dass „Lola rennt“ auf dem Sundance Film Festival für Furore sorgte. Dieses Jubiläum und Tykwers Präsenz auf der Berlinale sind Grund für die Werkschau Tykwers Kino (ab Montag). Veranstaltungsort ist das Moviemento: Hier war Tykwer vor 20 Jahren fürs Programm zuständig. Zur Eröffnung wird die Doku Im freien Fall – Tom Tykwer und das Kino gezeigt, für die seine Regieassistentin Larissa Trüby viele Weggefährten befragt hat, unter anderem den mittlerweile verstorbenen Sydney Pollack. Tykwers Langfilme müssen nicht mehr vorgestellt werden; in Vergessenheit geraten sind dagegen frühe Kurzfilme wie Because, mit denen Tykwer in Fachkreisen Aufsehen erregte.

Ein Phänomen, das Tykwer gerade noch kennengelernt hat, ist der Programmkinohit – der alte Film, der mitunter monatelang in einem Off-Kino lief. Zwischen Klassikern wie „Casablanca“ und „Eins, zwei, drei“ begeisterten sich die Berliner für die anarchische Komödie Hellzapoppin' (1941), die leider kaum noch gezeigt wird (Freitag und Sonnabend im Filmkunst 66). Weder der Regisseur H.C. Potter noch das übergewichtige Komikerduo Ole Olsen und Chic Johnson war dem Publikum ein Begriff, aber die Mundpropaganda genügte. Hier wurde eine Mischung aus Klamauk und Selbstreflexivität geboten, aus Chaos und Ordnung, derber Zote und hintergründigem Witz. Es ist, wenn auch unfreiwillig, ein Stück Gegenkultur – ein Film über eine Musicalverfilmung, bei der alles schief geht.

Nicht jeder gewesenen Mode muss man nachtrauern. Der Trend, Filme parallel in mehreren Sprachen zu drehen, führte in den frühen Tonfilmjahren zu Nachlässigkeiten in der Dialogregie. Die Mehrsprachenversion wurde bald durch Synchronisation oder Untertitelung ersetzt. Immerhin verdanken wir diesem Verfahren den einzigen Film, in dem Greta Garbo deutsch gesprochen hat. Ihr Tonfilmdebüt Anna Christie (1930) war schon im englischen Original ein Wagnis: Die Göttliche als Hure, die mit einem Matrosen sesshaft werden will? Der Erfolg rechtfertigte die Herstellung einer deutschen Fassung. Das Zeughauskino präsentiert sie in der Reihe „Mundart“ (Freitag und Sonnabend, mit Einführung).

So richtig lässt sich die Mundart nicht definieren. „Gimmir ''n Whisky aber schnell“, lallt Garbo bei ihrem ersten Auftritt. Für die deutsche Fassung wurde die Handlung von Eugene O''Neills Drama nach St. Pauli verlegt, doch der belgische Regisseur Jacques Feyder hatte nicht das richtige Ohr für dieses Milieu. Wen kümmert''s? Die Göttliche hat für diese Rolle ihren Text auf Deutsch gelernt. Daran hätte sich Tom Cruise mal ein Beispiel nehmen sollen.

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