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CITY Lights: Die Mafia und die Frauen

Ein „satirisch-dokumentarisches Märchen“ nennt der serbische Filmemacher Boris Mitic seinen neuesten Film, der in 24 Kapiteln sarkastische Weltweisheiten mit einem visuellen Rundgang durch ex-jugoslawische Vergangenheit und Gegenwart unterlegt. Bis 2004 hatte Mitic für die Nachrichtenagentur AFP aus dem Kosovo berichtet, dann kapitulierte er vor den vorgefassten Erwartungen der Medienindustrie und begann ein zweites Leben als unabhängiger Filmemacher.

Ein „satirisch-dokumentarisches Märchen“ nennt der serbische Filmemacher Boris Mitic seinen neuesten Film, der in 24 Kapiteln sarkastische Weltweisheiten mit einem visuellen Rundgang durch ex-jugoslawische Vergangenheit und Gegenwart unterlegt. Bis 2004 hatte Mitic für die Nachrichtenagentur AFP aus dem Kosovo berichtet, dann kapitulierte er vor den vorgefassten Erwartungen der Medienindustrie und begann ein zweites Leben als unabhängiger Filmemacher. Auf Wiedersehen, wie geht es Euch?, sein vierter Film spielt in vielen der kollagierten Szenen noch einmal mit dem agenturüblichen Material, das hier allerdings aus den journalistischen Zwängen in die freie Assoziationsbildung entlassen wird. Bemerkenswert etwa – neben Ruinen und proper aufgebauten Kirchen – eine Sammlung grotesk überladener neureicher Prachtvillen, die mal auf mittelalterlichen Burgenzauber machen, mal mehr auf Shangri-La. Der Film, der vor kurzem in einer vom Regisseur als fehlerhaft beklagten Voice-Over-Fassung bei Arte programmiert war, ist am Montag noch einmal mit korrekter Untertitelung als Präsentation des Wiesbadener goEast-Festivals im Arsenal zu sehen, plus Regisseur und kompetent besetztem Panel.

Neben dem allgegenwärtigen Machismo hat Mitic auch dem post-kriegerischen Blick auf Frauen einige Szenen gewidmet. Gibt es nicht nur bei Villen, sondern auch hier eine mafiös alles verdinglichende Ästhetik? Erstaunlich nahe am serbischen Frauenbild liegen immer noch die Italiener, die sich auch jenseits der Eskapaden des Cavaliere und seiner Fernsehanstalten schwer damit tun, Frauen ein Eigenleben jenseits von Schönheitsbemühungen und Amourositäten zuzugestehen. An dieser Malaise laboriert auch Giulio Manfredonias Si può fare, der mit großer Spielfreude die heute fast vergessene sozialrevolutionäre Aufbruchsstimmung im Italien der achtziger Jahre evoziert. „Si può fare“, die italophone Variante von „Yes, we can“, erzählt von einer Gruppe im Zuge der damaligen Psychiatriereform freigelassener Patienten, die unter Anleitung eines Gewerkschafters eine Parkettlegerkooperative aufbauen: aus der Sedierung direkt in den freien Markt. Nach Angaben des Drehbuchautors beruht die mit darstellerischer Bravour inszenierte Geschichte auf Fakten. Eine melancholisch stimmende historische Fantasie ist sie heute dennoch. Der Publikumspreisträger der jüngsten „Cinema!Italia!“-Tournee ist am Sonnabend in einer Gala im Babylon-Mitte zu sehen (außerdem am Sonntag, Montag und Dienstag im Filmkunst 66.

Eine leibhaftige sexualpolitische MiniUtopie präsentiert dagegen der Dokumentarfilm The Topp Twins: Untouchable Girls, der formal konventionell von einem neuweltlichen Frauen- und Unterhaltungswunder berichtet: Während wir uns mit Frauenverstehern und den Kessler-Zwillingen rumschlagen müssen, spielen in Neuseeland zwei gestandene Landlesben seit zweieinhalb Jahrzehnten die erste Gitarre bei volkstümlicher Musik und Comedy: Jools und Linda Topp haben nicht nur Soul in der Stimme und Country & Blues im Blut, sie sind auch begnadete Verwandlungskünstlerinnen. Dass die beiden bodenständig aufgewachsenen Zwillinge auch noch offen lesbisch sind, dürfte im Volksmusiksektor einzigartig sein. Der preisgekrönte und höchst unterhaltsame Film von Leanne Pooleye läuft am Freitag im Kreuzberger Eiszeit im Rahmen des "Unerhört"-Musikfilmfestivals in der Originalversion. Einziges Handicap: Das von den sprachgewandten Damen praktizierte neuseeländische Idiom dürfte selbst Hollywood-geschulten Anglophonen heftige Höranstrengungen abfordern.

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