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CITY Lights: Die schönen Russinnen

Frank Noack wundert sich über militaristischen Pazifismus

Offiziell gibt es in Deutschland keine verbotenen Filme mehr, sieht man von so bizarren Fällen wie dem Horrorkammerspiel „Rohtenburg“ ab, gegen das der „Kannibale“ Armin Meiwes eine einstweilige Verfügung erwirkt hat. Stattdessen spricht man von Vorbehaltsfilmen. „Triumph des Willens“ und „Jud Süß“ dürfen öffentlich gezeigt werden, wenn es vorher eine wissenschaftliche Einführung gibt. Man will es jedem recht machen, den Verfechtern absoluter Meinungsfreiheit ebenso wie den Vertretern der Minderheiten, die durch einen Film diffamiert werden. Also noch einmal: Verbote gibt es nicht. Punkt. Dennoch lässt es sich nicht übersehen, dass eine politisch unkorrekte Phase des westdeutschen Films verdrängt wird. In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre entstanden zahlreiche militaristische Antikriegsfilme. Sie behandelten den Russlandfeldzug und dessen Folgen, verurteilten den Krieg und verteidigten die Wehrmacht. Sie gaben dem Feind menschliche Züge, vor allem wenn es sich um schöne Russinnen handelte. Aber so etwas wie Reue oder ernsthafte Selbstkritik war nicht zu spüren. An den Kinokassen waren diese konsequent in Schwarz-Weiß gedrehten Dramen genauso erfolgreich wie die damaligen Heimat- und Schlagerfilme; exportieren ließen sie sich kaum, das Fernsehen boykottiert sie. Dass sie geächtet und verdrängt werden, verleiht ihnen einen besonderen Reiz. Das Zeughauskino widmet dem Thema die Reihe „In sowjetischer Kriegsgefangenschaft“, an deren Beiträgen überrascht, wie sehr westdeutsche Filmemacher im Kalten Krieg auf Entspannung setzten. Der Arzt von Stalingrad (Freitag und Dienstag) kümmert sich in Gestalt von O. E. Hasse selbstlos um Patienten aller Nationen. Die revanchistischen Klischees von Heinz G. Konsaliks Romanvorlage wurden durch die Besetzung korrigiert: Der kultivierte Hannes Messemer entsprach ebenso wenig wie der niedliche kleine Michael Ande dem Klischee des russischen „Untermenschen“, während der grobschlächtige Mario Adorf einen deutschen Gefreiten verkörperte. 1961, drei Jahre später, wollte kaum jemand Der Teufel spielte Balalaika (Freitag) sehen, der ebenfalls in einem Kriegsgefangenenlager spielte; vielleicht weil ihm zugkräftige Namen fehlten. Götz George war noch kein Kassenmagnet. Die Personenzeichnung wies noch stärkere Differenzierungen auf. Deutsche und Japaner schufteten Seite an Seite, und zwei jüdische Figuren brachten das Tabuthema Holocaust mit ins Spiel.

Dem Genozid wäre um ein Haar Ludwig Berger zum Opfer gefallen, der in die Niederlande emigriert war und die deutsche Besatzung im Versteck überlebte. Sein vorletzter Film in Deutschland, Ich bei Tag und du bei Nacht (heute im Arsenal), wird im Zusammenhang mit der Ausstellung über Tonfilmoperetten im Filmmuseum gezeigt. Er gehört zum kurzlebigen Genre der Depressionskomödie und handelt von einer Sparmaßnahme. Ein schlecht verdienender Kellner, der nachts arbeitet, teilt seine Wohnung mit einer schlecht verdienenden Maniküre, die am Tag arbeitet. Da er von Willy Fritsch verkörpert wird und sie von Käthe von Nagy, kann das so nicht weitergehen: Sie verlieben sich und beschließen, die Wohnung für den Rest ihres Lebens gemeinsam zu nutzen.

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