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CITY Lights: Nach Sizilien!

Silvia Hallensleben flüchtet aus dem Festtagsmatsch ins Kino.

Höchste Bescherungszeit: Die Straßen der Hauptstadt sind bis auf ein paar funkelnde Kerzenbäume romantisch verlassen, doch Wind und Matschwetter machen einen besinnlichen Heiligabendspaziergang zur Strapaze. Nicht nur feierunwillige Berliner, auch Ex-Pats und Touristen dürften da zur Einkehr das überwiegend anglophone Heiligabendprogramm des Central-Kinos goutieren, das dieses Jahr die traditionellen Previewprogramme des Filmtheaters am Friedrichshain und des International um einige Attraktionen erweitert. Eine Preview – von Fatih Akins am 1. Weinachtsfeiertag regulär startendem Film Soul Kitchen - gibt es hier im Spätprogramm auch. Doch die Sause geht schon nachmittags los: Wenn die meisten Kinos ihre Tore schließen, beginnt in den beiden kleinen Sälen am Hackeschen Markt ein mit Klassikern bunt gefülltes Programm von Casablanca und One, two, three bis zu Blow Up und Taxi Driver, die nach Art des Hauses sämtlich in OmU-Fassungen präsentiert werden. Selbst Wenders’ Himmel über Berlin gibt es mit englischen Untertiteln.

Tags darauf gilt meist schon wieder Business as usual. Nur im Filmkunst 66 lockt spätabends ein ausführliches Animationsprogramm mit einem Streifzug durch zehn Jahrzehnte Filmtrick von 1909 bis 2008. Und am Sonnabend ist die Magical History Tour des Arsenal bei Luchino Viscontis Gattopardo (1962) angekommen, der in viel zu schnell vergehenden 184 Filmminuten die in rauschendem Überschwang sich feiernde Welt der sizilianischen Aristokratie auf- und ableben lässt. Der durch Burt Lancasters feine Interpretation des alternden Fürsten Salina gefilterte Grundton ist vorahnend melancholisch, fast blindwütig exzessiv dagegen der von Delon/Tancredi verkörperte Sturm und Drang der jungen republikanischen Generation, die neben der frisch gewonnenen Freiheit auch schon wieder neue Pfründe und Posten erobert. Opulent sind Farbenspiel und Dekor in den Palazzi, wo sich beim Ball vermählungsbereites Jungvolk kichernd umschwirrt und vertrocknete Gräfinnen die Offiziere anhimmeln, bevor selbige andernmorgens zur Exekution ziehen. Dabei verdichtet Visconti die historische Analyse des bürgerlich-revolutionären Umbruchs in prägnanten Bildmetaphern: In vorbeiziehenden Rauchnebeln scheinen die Köpfe der Salinas-Familie zu expressiv-barocken Büsten erstarrt. „Il Gattopardo“ ist der Glücksfall einer Romanadaption, die ihre stark gekürzte Vorlage vollkommen ins Filmische auflöst.

Erich von Stroheim ist berühmt-berüchtigt für seinen exzessiven Naturalismus, der sich in wuchernden Ausgaben für Ausstattung und extremen Filmlängen ausdrückte. In Greed (1923, Sonntag im Arsenal) äußert sich das auch im maßlos peniblen Umgang mit der Literaturvorlage, dem Roman „McTeague“ des jung verstorbenen sozialkritischen Schriftstellers Frank Norris. Ergebnis waren neun Stunden Film, die zwischen detailreicher Realitätswiedergabe und drastischer symbolischer Überhöhung heute nicht nur als einzigartiges Filmkunstwerk, sondern auch als Zeitdokument bestechen. Damals schnitten die Produzenten den Film auf zwei Stunden. Das Arsenal zeigt eine von dem Filmhistoriker Rick Schmidlin restaurierte 270-Minuten-Videofassung.

Im Lichtblick werden neben den Komödianten Buster Keaton (Montag) und Peter Sellers (Mittwoch) auch die Marx-Brothers (Dienstag) mit einem Abendprogramm geehrt. Wie in „Greed“ geht es auch in Room Service (1938, OF) ums Geld. Geld, das die Theatertruppe um Gordon Miller (Groucho Marx) sich mit ihrer neuen Bühnenproduktion zu erwirtschaften hofft. Doch bis zur Premiere sind es noch ein paar Tage – und der Manager des Hotels, in dem die Truppe abgestiegen ist, will sie wegen unbezahlter Rechnungen auf die Straße setzen. Bis die Show doch noch auf der Bühne steht, müssen viele Tricksereien aufgeboten werden, falsche Masern, Schreibmaschinendiebstahl und Scheintod inklusive. Einmal dreht sogar ein flatternder Truthahn unter der Zimmerdecke einige animierte Runden. Schöner cineastischer Weihnachtsbraten!

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