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CITY Lights: Pioniere der Satire

Eine kess gefönte Jungpionierin vom „Club junger Historiker“ hält bei einer Feierstunde eine aufgeblasene Rede. Ihre Konkurrentin Edith, das Schmuddelmädchen des Städtchens, rühmt sich wiederum, die Phrasen des Bürgermeisters voraussoufflieren zu können.

Eine kess gefönte Jungpionierin vom „Club junger Historiker“ hält bei einer Feierstunde eine aufgeblasene Rede. Ihre Konkurrentin Edith, das Schmuddelmädchen des Städtchens, rühmt sich wiederum, die Phrasen des Bürgermeisters voraussoufflieren zu können. Doch der (wuchtig: Kurt Böwe) lernt gerade, sich vom Floskeldenken zu befreien. Rainer Simons Tragikomödie Jadup und Boel, der letzte Verbotsfilm der DDR, ist einer der erfrischendsten Defa-Filme – mit einer langwierigen Produktionsgeschichte. Schon die Dreharbeiten 1980 wurden von der Stasi begleitet. Die Sache schien verdächtig, doch der SED-Staat war kein Monolith. Zu Beginn der SolidarnoscStreiks hielt man es für taktisch klüger, den Regisseur „von negativ-feindlichen Kräften zu entfernen und ihm und seinem Schaffen gegenüber Vertrauen zu zeigen“, wie es in einer Stasi-Notiz heißt. Bei allzu großer Unbotmäßigkeit des Endprodukts plante man, die Zulassung notfalls unendlich zu verzögern.

So kam es dann auch. Als im Dezember 1981 endlich die Premiere auf dem Plan stand, lieferte ein prominent platzierter Leserbrief im „Neuen Deutschland“ den Vorwand, den Film endgültig zurückzuziehen. Die Uraufführung fand erst 1988 in einer Mitternachtsvorstellung statt. Da hatte die Wirklichkeit die Satire schon fast überholt. Dennoch hat Simons Film, der am Mittwoch bei der „Winter adé“-Retro im Arsenal zu sehen ist, nichts an Originalität eingebüßt und bietet Lustvolles für Augen und Ohren.

Bekannter als Simons Film ist Die Legende von Paul und Paula, die anlässlich des 80. Geburtstags des 1997 verstorbenen Regisseurs Heiner Carow in einer Reihe des Internationalen Literaturfestivals am Samstag im Babylon-Mitte präsentiert wird. Seit Jahrzehnten wandert die „Legende“ als gesamtdeutscher Dauerbrenner durch die Kinos. Nur wenige Jahre nach Honeckers Amtsantritt ging das interne Ringen während des Tauwetters um die Berliner Weltjugendfestspiele 1973 zugunsten der Aufführung aus. Nur das Frauenopfer am Ende wurde von den Defa-Abnehmern moniert. Vielleicht half das dem Erfolg ja noch nach. Wie die enormen Zuschauerzahlen vermuten lassen, traf die entsagende Verklärung romantischen Rückzugs den damaligen Zeitgeist.

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