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CITY Lights: Rocker, Groupies, Liebespaare

Frank Noack sammelt unpolitische 68er-Kultfilme

1968 ist Kult, keine Frage. Aber wo sind die Kultfilme zum Thema – Kultfilme, wie sie der Zweite Weltkrieg und der Kalte Krieg hervorgebracht haben? Die Klassiker von 1968 heißen „2001“, „Planet der Affen“ und „Rosemarys Baby“ – Ausdruck ihrer Zeit, aber fernab der Tagespolitik. Merkwürdig, denn an politischem Enthusiasmus hat es den Filmemachern gerade damals keineswegs gefehlt.

Das Amerika-Haus am Bahnhof Zoo widmet sich unter dem Motto Ruhestörung – Leinwand in Revolte dem Kultjahr ’68. Gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung und kuriert von dem Filmpublizisten Ralph Eue, wird sie heute Abend mit einem unbekannten Frühwerk von Klaus Lemke eröffnet. Man kennt ihn als Chronisten der Münchner Rocker und Groupies: realistisch, aber unpolitisch. Dagegen ist seine WDR-Produktion Brandstifter das Porträt einer Frau, die von den theorielastigen Diskussionen in ihrer WG die Nase voll hat und zur Tat schreitet: in einem Kaufhaus natürlich. Der Regisseur wird anschließend mit seinem Kollegen Dominik Graf diskutieren. Zu weiteren Terminen haben sich Helma Sanders-Brahms, Claudius Seidl und Jürgen Kuttner angesagt. Mit den Ereignissen des Juni 1967 befassen sich Günther Hörmann und Hans Dieter Müller in ihrem Dokumentarfilm Ruhestörung (Freitag). Etwas kurios wirken in diesem Rahmen Titel wie Jacques Tatis „Playtime“, Richard Lesters „Petulia“ und Roger Vadims „Barbarella“; auch diese Auswahl verdeutlicht, dass die wichtigsten 68er-Filme nicht von 1968 handelten.

Von einer „Operettenrevolution“ spricht die 1948 geborene Regisseurin Catherine Breillat im Magazin „Sight & Sound“. Frauen seien damals verraten worden; die Frauenbewegung sei kein Teil von 1968, sondern eine Antwort darauf. So sind nur zwei Filme von Frauen in der Filmreihe zu sehen, beide kommen aus sozialistischen Ländern: Vera Chytilovas anarchische Bad-Girl-Komödie Tausendschönchen ist längst von den Programmkinos wiederentdeckt worden; Marta Meszaros' Das Mädchen wartet auf eine Wiederentdeckung. Es war nicht nur ihr erster Film, sondern der erste ungarische Film überhaupt, der von einer Frau inszeniert wurde.

Der Schwede Roy Andersson, der zurzeit mit der eindrucksvollen Groteske „Das jüngste Gewitter“ im Kino entdeckt wird, hat 1969 mit Kärlekshistoria (Liebesgeschichte) seinen Erstling inszeniert. Das Lichtblick-Kino zeigt (Sonnabend und Sonntag) die zarte Romanze in einer kleinen Andersson-Reihe. Zwei sanfte Teenies lösen sich von ihren erdrückend präsenten Familienclans, ohne groß zu rebellieren: Sollen die Erwachsenen doch ihr neurotisches Ding machen, sie tauchen einfach ab ins Glück.

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