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CITY Lights: Scheitern als Chance

Silvia Hallensleben mag Filme, die alles wagen und nicht gewinnen

Im Unterschied zu Hartz-IV-Empfängern sind wahrhaft Gescheiterte die Helden der neoliberalen Epoche. Sie haben gehandelt und gewagt – wenn auch verloren. Diesem Zeitgeist ist auch das Festival des gescheiterten Films geschuldet, das in seinem dritten Jahr auf seiner SechsStädte-Tournee noch bis Dienstag im Babylon-Mitte Station macht. Festivalgründer und -organisator Hartwig „hmueller“ ist selbst so ein einzelkämpfender unternehmerischer Tausendsassa, der ganz auf institutionelle oder Sponsorenunterstützung verzichtet und sich stattdessen in die Abhängigkeit von Eintrittsgeldern und Publikum begibt.

Was ist eigentlich ein gescheiterter Film? Das Festival selbst lässt in seinen Statuten sowohl Filme zu, die etwa von Förderkommissionen, Fernsehsendern oder Festivals abgelehnt wurden, als auch solche, die das Scheitern zum Thema haben. Bedingung ist aber in jedem Fall das ernsthafte Bemühen der Produzenten, einen „hochwertigen Film zu schaffen“. Ein Anspruch, der, wie wir wissen, gern nach hinten losgeht, wie auch hier einiger Edelschrott vom Inzestdrama bis zur „episodenhaften Experimental-Tragikomödie“ zeigt, der sich vornehmlich durch Skurrilität auszeichnet. Die TV-Ausstrahlung von Tom Kimmigs Dokumentation über Telefonisten beim Hörerservice des Bayerischen Rundfunks dagegen (Den Hörer in der Hand am Dienstag) ist wohl der Eitelkeit des dargestellten Senders zum Opfer gefallen. Neben vielen Hochschularbeiten ist mit dem Doppelporträt Zwei Schicksale oder Eine kleine Königstragödie (1992/93, am Samstag) auch ein bisher unveröffentlichter älterer Dokumentarfilm des 2005 verstorbenen Lothar Warneke dabei.

Überhaupt liegt nur ein schmaler Grat zwischen Scheitern und Karriere. So könnte man sich die verspielt-lehrreichen Home Movies des letztjährigen DAAD-Stipendiaten Guy Ben-Ner bei anderem Karriereverlauf gut auch in „kjmuellers“ Festival vorstellen. Der israelische Video-Künstler, dessen heimlich bei Ikea gedrehte eigentumskritische Sitcom „Stealing Beauty“ derzeit noch in der DAAD-Galerie in der Zimmerstraße zu sehen ist, wird zum Abschluss (Samstagabend) im Arsenal noch einmal mit fünf älteren Arbeiten präsentiert: Schönes Gegenstück zum halböffentlichen Ikea-Zyklus sind dabei zwei Arbeiten, die im familiären Kontext der heimischen Küche Stoffe der Weltliteratur reinszenieren.

Ganz andere filmische Fantasiewelten schuf der französische Regisseur Jacques Demy in seinem zweiten Filmmusical mit Catherine Deneuve und der Musik von Michel Legrand, in dem diesmal auch noch Deneuves früh verstorbene Schwester Françoise Dorléac, Michel Piccoli und Gene Kelly mitagieren. Schmucke Matrosen, dahinschmelzende Bonbonfarben und durchgestylte Choreografien machen Les Demoiselles de Rochefort (1967) zu einem überirdischen Vergnügen für all die, die hübsch arrangierte Künstlichkeit auf der Leinwand goutieren. Spielort am Samstag ist dabei die traditionelle Moabiter Location Engelbrot und Spiele“, die als Hansa-Theater vor nicht allzu langer Zeit noch Brigitte Mira und Harald Juhnke eine Heimstatt bot. Jetzt darf Gene Kelly mit ihnen tanzen.

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