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Citylights: Zelte und Zirkus

Fast täglich wird weltweit ein neues Festival gegründet: Silvia Hallensleben empfiehlt Festivals vor der Berlinale.

Wir befinden uns eine runde Woche vor der Berlinale-Eröffnung. Ganz Berlin ist im Festivalfieber ... Ganz Berlin? Nein! Einige tapfere Filmaktivisten versuchen, dem Großereignis Widerstand zu leisten und haben am Mittwoch Abend im Kreuzberger Moviemento mit John Pilgers „The War on Democracy“ das Radical Frame Film Festival eröffnet. Mit insgesamt 16 Dokumentar- und Spielproduktionen will man dort bis Sonntag Filme ins Licht der Öffentlichkeit rücken, die sich – nach Selbstdarstellung – „mit Themen wie Klima, Menschenrechte, Umwelt, Antiglobalisierung oder sozialer Gerechtigkeit beschäftigen“. Ein filmisches Terrain also, das auch bisher etwa mit dem „One World Berlin“ und der „Globale“ durchaus in der Stadt präsent war. Man wird sehen müssen, was das neue Ereignis an neuen Akzenten bringt. Inhaltlich spiegelt das Programm der aus Denver importierten Filmreihe (die Bezeichnung Festival scheint mangels persönlicher Anwesenheit von Filmemachern etwas hoch gegriffen) die Perspektive einer US-amerikanischen Gegenöffentlichkeit, die sich dank der Trägheit der Filmproduktionsprozesse oft noch auf die BushÄra bezieht. So auch der Abschlussfilm Peace, Propaganda & the Promised Land von Sut Jhally und Bathsheba Ratzkoff (Sonntag), der allerdings schon 2004 entstanden ist. Die Dokumentation beschäftigt sich mit der Steuerung der US-Medien durch israelische Propagandainteressen und konstrastiert diese mit der differenzierteren Berichterstattung europäischer Medien, speziell der BBC. So dürften viele der ausführlich mitreportierten politischen Hintergründe israelischer Politik für informierte Europäer wenig Neues bringen. Erfrischend sind aber die klaren Stellungnahmen von Chomsky und anderen Interviewten zur politischen Funktionalisierung von Antisemitismusvorwürfen gegenüber Israel-Kritikern. Genregemäß bleibt der Film mit seinem US-typischen Mix aus Talking Heads und News-Schnipseln an der argumentativen Oberfläche. Wer das hier Gesehene fortführen und einmal hautnah an der palästinensisch-israelischen Widerstandsbewegung gegen den sogenannten Trennzaun teilnehmen will, dem sei vorausblickend auf nächste Woche schon jetzt die Dokumentation „Budrus“ im Berlinale-Panorama empfohlen.

Fast täglich wird wohl weltweit ein neues Festival gegründet. Der Wettbewerb um heiße Neuentdeckungen ist mittlerweile so scharf geworden, dass die Produktionen vielversprechender Filmländer im Nullkommanichts vom internationalen Festivalparcours aufgesaugt werden. So ist auf der Berlinale dieses Jahr kein einziger philippinischer Film zu sehen – nicht etwa deswegen, weil dort letztes Jahr nichts Interessantes produziert worden wäre. Brillante Mendoza etwa, der noch 2008 mit Tirador (Sonntag im Arsenal) als einer von drei philippinischen Regisseuren das frisch entdeckte vitale Filmland im Forum vertrat, ist mittlerweile zum bejubelten Liebling des Festivalzirkus avanciert und wurde dieses Jahr mit zwei neuen Filmen auf den Festivals von Venedig und Cannes gefeiert, wo er für Kinatay (Sonntag) den Regiepreis bekam.

Diese Woche ist der 49-jährige Sozialrealist zu einem Workshop an der DFFB zu Gast: Willkommener Anlass für die Arsenal-Macherinnen, den größten Teil seines Werks (leider ohne „Lola“, der in Venedig zu sehen war) zu präsentieren. Darunter auch Serbis (2008, Samstag in Anwesenheit des Regisseurs), der ein altes Pornokino zum Schauplatz einer weitgefächerten Familiengeschichte macht: Weltautorenkino, für das vielen Zuschauern allerdings der filmhistorische Kontext fehlen dürfte. Deshalb hier ein dringender Wunsch der Stadterleuchterin: eine Hommage mit Filmen von Mendozas großem Vorbild Lino Brocka.

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