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Das Schiff des Torjägers: Die Scham bleibt

Fußball und Sklaverei: "Das Schiff des Torjägers" erzählt die Geschichte des ehemaligen VFL-Fußballers Jonathan Akpoborie und seiner Fähre der Kindersklaven.

„Vérité“ schreibt der Strandwächter in den Sand, „Wahrheit“. Dann lacht er. So, als ob er wüsste, dass es keine Wahrheit geben kann in dieser Geschichte zwischen Europa und Westafrika, die mit einigen sehenswerten Toren beginnt.

In der Bundesligasaison 2000/2001 stürmte der nigerianische Fußballer Jonathan Akpoborie für den VfL Wolfsburg. Dann wurde kurz vor dem Ende der Spielzeit im westafrikanischen Benin die Fähre „Etireno“ mit 40 Kindern an Bord aufgebracht. Sie sollten bei reichen Familien arbeiten, als „Kindersklaven“, wie es hieß. Als bekannt wurde, dass die Fähre Akpoborie gehörte, entließ der VfL den Stürmer – der VW-Konzern hatte als Eigentümer des Klubs Druck ausgeübt.

Was aus den Beteiligten von damals (inklusive Fähre) geworden ist, erzählt die Filmemacherin Heidi Specogna in ihrem leisen Dokumentarfilm „Das Schiff des Torjägers“. Leider schwankt ihr Zugriff auf das Material dabei zwischen journalistischer Rekonstruktion der Ereignisse und einer Meditation über das Phänomen Kinderarbeit. Einmal sehen wir einen Krebs, der in eine Plastikflasche eingesperrt ist. Eine Metapher für das Gefängnis Armut?

Akpoborie, der damals die Fähre in Dänemark gekauft und seiner Familie geschickt hatte, kann den Rummel immer noch nicht verstehen. Stattdessen verteidigt er die Chance, die es für arme Kinder bedeuten könne, in die Fremde zu gehen, um Geld zu verdienen. Aus Akpobories Erfahrung heraus ist das verständlich. Er vermittelt heute selbst junge afrikanische Fußballtalente nach Europa. Doch das Gegenstück zum aufgeräumten schweizerischen Trainingslager, in das die Regisseurin den Ex-Fußballer begleitet, ist der Markt in Afrika, wo hunderte Kleinkinder mit Hämmern Altmetall bearbeiten. Diese Bilder sind die sprechendsten des Films, der ohne Erzähler auskommt.

Nachdenklicher als der Fußballer sind zwei der Kinder, die damals auf der Fähre waren. Das Mädchen Adakou aus Togo und der Junge Noumann aus Benin. Sie hocken stumm neben ihren Eltern, die erzählen, warum sie sie weggeben mussten. Die Eltern schämen sich noch immer dafür, sie sind ihren Kindern fremd geworden. Ein guter Einfall ist es, Adakou und Noumann Nachrichten für den anderen auf Band sprechen zu lassen. Das Schiff übrigens liegt heute im Meer vor Benin. Ein Wächter beschützt das Wrack vor Metalldieben. Die Schiffsschraube hat er festgebunden, damit sie nicht vom Meer verschlungen wird – so wie diese europäisch-afrikanische Episode von der Geschichte.

Babylon Mitte und FSK.

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