zum Hauptinhalt
Roter_Baron

© dpa

''Der Rote Baron'': Orden für den Egoshooter

Deutsche Helden: "Der Rote Baron“ macht den Luftkrieger Manfred von Richthofen zum Pazifisten - mit unbedingtem Willen zum Pathos.

Einsamkeit macht sich bei Schurken gut, vor allem in ihrer späten Phase. Einsamkeit läutert den Betroffenen oder löst zumindest Mitgefühl aus, und am Ende winkt vielleicht kein glückliches Fortleben, aber der Status als Held. So kommen selbst die finstersten Bösewichter noch zu ihrer Gloriole.

Der deutsche Film, neuerdings gestählt in der Verarbeitung jüngerer und mittelalter Geschichtstraumata, hat mit derlei Vermenschelungsprozeduren zuletzt bemerkenswerte Erfahrungen gemacht. Adolf Hitler blieb in der Interpretation von Bruno Ganz im „Untergang“ zwar einschüchternd cholerisch, konnte aber als tragischer Feldherr, der seine Zukunftsvision durch feindliche Armeen zuschanden gehen sah, beim nachgeborenen Publikum Punkte sammeln. Und bei seiner finalen Selbstentleibung blieb die Kamera in Oliver Hirschbiegels Monster-Hommage von 2004 pietätvoll draußen vor der Tür.

Ulrich Mühe wiederum war in Florian Henckel von Donnersmarcks „Das Leben der Anderen“ zwar kein Bunkerunterübermensch, sondern ein gewöhnlicher Stasi-Spitzel auf dem Dachboden, doch auch ihn durfte die Zuschauernation nach gehabtem Bußgang durch Degradierung ins Herz schließen. Ein Schwein, ja, aber einsam; ein armes Schwein also, das denn auch erlöst entschreitet – mit persönlicher Widmung in den Memoiren des Witwers jener Frau, die er in den Tod getrieben hatte.

So gesehen, wäre auch für den filmischen Blick auf Manfred von Richthofen, der als junger Jagdflieger im Ersten Weltkrieg 80 feindliche Maschinen abschoss, bevor er selbst zu Tode kam, einiges drin gewesen. Richthofen war, wie aus seiner Autobiografie hervorgeht, ein blutrünstiger Killer der Lüfte. Er hielt aus den Doppel- und Dreideckern der Marken Albatros und Fokker, mit denen sich prächtig durch den Propeller schießen ließ, stets direkt auf den Mann – und wenn der Pilot in seiner abstürzenden Kiste auch noch verbrannte, umso besser. Auch TiefflugÜberraschungsattacken auf alliierte Soldaten bereiteten ihm, wie er selbst verkündete, „wilden Spaß“. Erst gegen Ende seiner kurzen Karriere bekannte sich der Mann, der es – wie später Adolf Hitler – eher mit den Hunden als mit den Frauen hatte, nach so viel verbissener „Menschenjagd“ zu einer gewissen Müdigkeit. Die Fliegerei sei eben doch nicht so, „wie die Leute in der Heimat sich das vorstellen, mit Hurra und Gebrüll“.

Der Egoshooter als weltflüchtiger Melancholiker, der am 21. April 1918 reinen Tisch mit Mordlust und Ruhmsucht macht und in flirrendem Todesverlangen zum letzten Flug gegen die alliierte Übermacht aufsteigt: Das hätte so recht nach dem Geschmack eines Publikums sein können, das derzeit auf breiter Front Frieden mit der deutschdunklen Nationalgeschichte macht. Doch ach, Nikolai Müllerschöns Flieger-Epos „Der Rote Baron“ schwelgt von Anfang an in ungebrochener Heldenverehrung und schmückt sie zeitgeist- und kinogemäß aus. So wird sein Manfred von Richthofen gegen die historische Wahrheit zum Pazifisten, und ein abendfüllendes Liebchen in Form einer friedensbewegten Krankenschwester findet sich auch. Nur der Anblick des Todesflugs mit zerfetzter Leiche überm Steuerknüppel bleibt dem Zuschauer erspart – aus Pietät oder vielleicht doch aus Kostengründen.

Tatsächlich können sich die Macher des ganz aus privaten Mitteln finanzierten Films in Sachen Richthofen auf ein Geschichtsbild stützen, das fast ein Jahrhundert verblüffend unbeschadet überstanden hat. Im Kaiserreich, das in der Materialschlacht des Weltkriegs Helden brauchte, funktionierte der Jagdflieger als Durchhalte-Identifikationsfigur fürs Kanonenfutter im Schützengraben und für die Heimatfront. 1925 veranstaltete die Weimarer Republik für den unsterblichen Jüngling mit der sagenhaften Abschussquote eine Art nachgetragenes Staatsbegräbnis. Auch die Nazis brauchten für ihre neugegründete Luftwaffe eine Ikone und machten Richthofens Todestag zum alljährlichen Weihedatum. Und selbst die Bundesluftwaffe hat ihr nach Richthofen benanntes Jagdgeschwader, das bei Bedarf mit „Nato-Alarmrotten“ den deutschen Luftraum sichert.

„Der Rote Baron“ aber scheitert nicht nur an der lohnenden Herausforderung, nach Jahrzehnten der Ideologie zumindest annäherungsweise die Wahrheit auch aus der verbürgten Innenschau des Protagonisten zu erzählen; filmisch versagt das mit 18 Millionen Euro für deutsche Verhältnisse extrem aufwendige Vorhaben ebenfalls kläglich. Gedreht in englischer Sprache für einen Markt, auf dem der „Red Baron“ auch als enthistorisierte Comicfantasie der „Peanuts“ überlebt hat, ist die Luft-Action denn doch zu billig, um das angelsächsische, an Megabudgets gewohnte Abenteuerfilmpublikum zu beeindrucken; und mit dem eigenen, jahrelang zertüftelten Drehbuch nebst hölzern ins Bild gesetzter Dramaturgie leistet der 49-jährige Nikolai Müllerschön, der in Hollywood strandete und seit langem ausschließlich fürs deutsche Fernsehen arbeitet, seinen Offenbarungseid als Kinoregisseur.

Schon die Schauspielerwahl. Der sanftäugige Mädchenschwarm Matthias Schweighöfer muss den schneidigen Richthofen spielen und sieht doch in jeder Sekunde so aus, als könnte er keinem Flieger was zuleide tun. Axel Prahl tapert als grotesk ausstaffierter General Hoeppner durchs Bild, der Schweighöfer mehrfach in raumgreifenden Szenen stereotyp Orden an die Brust heften darf. Til Schweiger nuschelt sich als deutlich älterer Edel-Landser durch seine Leutnantsrolle. Und der eindeutig rehäugige Joseph Fiennes – als Richthofens historischer Gegenspieler Roy Brown prominent in den Credits erwähnt – hat drei superkurze Auftritte, in denen er den guten, verwundeten kanadischen Westfront-Piloten mimen darf. Um eine vielfach verwendete Drehbuchzeile zu verwenden: „Meine Herren!“, mit solcher Truppe lässt sich, an welcher Front auch immer, kein Krieg gewinnen.

Am heftigsten ins Trudeln gerät „Der Rote Baron“ allerdings durch die Liebesgeschichte Richthofens zur Krankenschwester Käte, der Lena Headey geradezu schmerzhaft tantigen Charme verleiht. Die zahlreichen Begegnungen zwischen Schweighöfer und Headey leiten zielstrebig den filmischen Absturz in die unfreiwillige Komik ein. Zu Sex ist Käte nur bereit, wenn sich Richthofen von ihr aus Humanismus und aus Liebe (in dieser Reihenfolge!) von der Fliegerei lossagt, nicht ohne Oscar Wilde, Shakespeare und Dante zu zitieren; dabei erbeutet sie das eine und auch das andere Lippenbekenntnis. „Du“, entringt es sich dem Helden dann, „du bist mein größter Sieg.“ Drauf Käte: „Du bist ein mutiger Mann, ein sehr mutiger Mann.“

Dieser unbedingte Wille zum Pathos: Er hat zumindest Tom Cruise gefallen, der den im Sommer 2006 gedrehten Film letzten Herbst in Berlin sah, während der Dreharbeiten zu „Valkyrie“. Schweighöfer – er spielt in „Valkyrie“ einen Soldaten des Pelotons, das Stauffenberg erschießt – führte Cruise den „Roten Baron“ vor und entlockte dem Weltstar immerhin allfällig zitierte Begeisterungsrufe. Ob sie werbewirksam sind? Mit dem Widerstandskämpfer Stauffenberg kommt die nächste deutsche Geschichtsikone ins Kino, diesmal von sehr amerikanischer Seite. Aufschub wurde soeben gewährt: Der Start ist zum zweiten Mal verschoben, auf Februar 2009.

Ab Donnerstag in 20 Berliner Kinos; englische Originalfassung im Cinestar Sony-Center

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false