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Kino: Die gute Russin

Im Kino: „Alexandra“ von Alexander Sokurow

Wenn die Waffen schweigen, kann man vom Krieg erzählen. 1965 erntete der georgische Regisseur Reso Tscheidse mit „Der Vater des Soldaten“ internationalen Ruhm. Mitten im Krieg macht sich ein Weinbauer auf, seinen verwundeten Sohn an der Front zu besuchen. Es wird eine Reise voller absurder Begegnungen, bei denen die Gefühle des einfachen Mannes auf die Kriegsmaschinerie prallen.

Mehr als vierzig Jahre später schickte Alexander Sokurow („Russian Ark“, „Vater und Sohn“), einst ein Ziehkind von Andrej Tarkowski, eine couragierte Großmutter an die zerstückelte Front in Tschetschenien. Alexandra (Galina Wischnewskaja) will nach ihrem Enkel schauen, der als Offizier ein Schwadron gegen die Rebellen führt. Nach beschwerlichem Transport im Güterwaggon kommt sie im Lager an. Jedermann ist freundlich, der Enkelsohn, gerade von einer „Säuberungsaktion“ zurückgekehrt, schließt sie glücklich in seine Arme. Alexandra wird herumgeführt, prüfend nimmt sie eine Maschinenpistole in die Hand und visiert den unsichtbaren Feind, um dann auf eigene Faust dem tschetschenischen Markt einen Besuch abzustatten.

Sokurow, der wieder in Schwarzweiß drehte, ist ein Lyriker. Alexandra ist für den patriotisch gestimmten Regisseur ein Symbol für das gute Russland. Auf dem Markt fliegt ihr die Freundschaft einer Tschetschenin zu, die in dem postkolonialen Krieg zwar Angehörige verloren hat, die Fremde aber ohne zu zögern in ihre Wohnung einlädt. Hass, Verachtung, Empörung gegen die Unterdrückernation scheinen ihr fremd. Mütter verstehen einander, mögen auch die Söhne und Enkel gegeneinander kämpfen. Stellvertretend für die nicht so friedlich gestimmten Landeskinder ruft ein junger Bursche auf der Straße nach Freiheit. Das ist, in der Sicht des Films, kaum mehr als das unbesonnene Wort eines Halbwüchsigen.

Sokurow bringt es fertig, sowohl die Kriegsgründe als auch die Schrecken völlig auszublenden. Kein Schuss fällt, kein Soldat wird tot ins Lager gebracht, in dem Alexandra nie ein trauriges oder böses Gesicht begegnet. Versöhnung um jeden Preis. Es muss ewig her sein, dass Sokurows Filme Russland zum Nachdenken herausgefordert haben. Hans-Jörg Rother

Im Kino Krokodil (OmU)

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