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© Universal

''Die rote Zora'': Eine Bande sollt ihr sein

"Die Rote Zora" ist ein Klassiker der Kinderbuchliteratur. Die Kinoversion wird der Geschichte um die obdachlosen Kinder, die jeden Tag ums nackte Überleben kämpfen, nur bedingt gerecht: So zahm war "Die rote Zora" noch nie.

Drei Jahre Gefängnis fordert der Staatsanwalt. Für eine Bande von jugendlichen Gewalttätern, obdachlos und verwahrlost, eine Gefahr für die Gesellschaft – zumindest für die Gesellschaft saturierter Spießbürger im kleinen kroatischen Fischerdorf Senj. Und es braucht erst die bewegende Ansprache des alten Fischers Gorian (Mario Adorf), um zu erkennen, dass es doch Kinder sind, gutwillige, aber durch Not in die Enge getriebene Kinder. Kümmert man sich liebevoll um sie, werden sie die wunderbarsten Gefährten.

Klingt wie die Szene zum Tage, diese Schlusssequenz aus Kurt Helds Kinderbuchklassiker „Die rote Zora“. Auch in der aktuellen Verfilmung von Peter Kahane bekommt die Szene einiges Gewicht: Der fiese Großfischer Karaman (Ben Becker) verlässt tobend den Raum, der windige Bürgermeister Ivekovic (Dominique Horwitz) hängt seinen Mantel in den Wind und lässt sich als Kinderretter feiern. Doch die soziale Brisanz, die Helds Roman von 1941 hat, ist in der aufwändigen Verfilmung verschenkt. Allzu malerisch das Küstenstädtchen (gedreht wurde in Montenegro), zu sonnig das Wetter, und auch die Bande der Uskoken hat so gar nichts Gefährliches: fünf Freunde auf Abwegen, mit Verfolgungsjagden in den engen Gassen und abendlicher Romantik am Lagerfeuer.

Kaum Bezug zur Gegenwart

Das ergibt, natürlich, einen prima Abenteuerfilm, und als solcher ist er auch jüngeren Kinobesuchern durchaus zu empfehlen. Die Bösen (Ben Becker, Dominique Horwitz) chargieren nach Herzenslust, die Polizisten (Hilmi Sözer und Badasar Calbiyik) sind liebenswürdige Trottel, die gegnerische Bande der Gymnasiasten keineswegs bedrohlich, und auch die emotionalen Verwicklungen, Liebe, Eifersucht, Verrat und Neid bleiben im Rahmen. Eine nette Bande, diese Bande rund um die rote Zora (sympathisch, aber zu brav: Linn Reusse).

Allein: Was hätte dieser Film sein können, hätten sich Kahane und sein Drehbuchautoren Ronald Kruschak und Christian Zübert entschieden, die Story beherzt in die Jetztzeit zu bugsieren, statt sie in golden-fernen Dreißigerjahren spielen zu lassen. Die rote Zora und ihre Bande sind in der Buchversion tatsächlich verwahrloste Strauchdiebe, es geht, Tag für Tag, ums schiere Überleben, alles ist härter, schmutziger, trostloser, als es Kahane dem Zuschauer zumuten will. Ein Zora-Film unter heutigen obdachlosen Kindern, das wäre ein lohnendes Unterfangen. Helds wohlmeinende Botschaft, dass mit Freundschaft und gutem Willen auch aus den ärgsten Wiederholungstätern sinnvolle Mitglieder der Gemeinschaft werden können, wäre umso wirkungsvoller erschienen. Spannender wäre es auch.

Christina Tilmann

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