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Dokumentation: Kurvenstar Niemeyer

Zum 100. Geburtstag vor zwei Jahren entstand die Filmdokumentation über den brasilianischen Meisterarchitekten Oscar Niemeyer, die in zehnjähriger Vorbereitungszeit ehrfürchtig zusammengestellt wurde. Jetzt kommt sie ins Kino.

Die Haut hat Altersflecken, die Stimme ist brüchig, der Blick geht aus dem Fenster, weit. Aber die Hand ist flink wie eh und je. Wenn Oscar Niemeyer, der legendäre 102-jährige brasilianische Meisterarchitekt, spricht, über Architektur oder über sein Leben, dann zeichnet seine Hand dazu, auf Entwurfspapier, mit schnellem, sicheren Strich, den Cartoon zum Gespräch. Strichmännchen, die die Dimensionen klarmachen, vor jenen großen, majestätischen Schwüngen, die Niemeyers Bauten in die kurvigen Landschaften rund um Rio setzen – oder in die endlose Weite rund um Brasília.

Der Meister hat Audienz gewährt: Zum 100. Geburtstag vor zwei Jahren entstand die Filmdokumentation, die Regisseur Fabiano Maciel und Produzent Sacha in zehnjähriger Vorbereitungszeit durchaus ehrfürchtig zusammengestellt haben, aus Archivbildern, die vom freien Geist des neuen Brasilien künden, und langen Gesprächen mit dem Architekten, der dazu in sein kühnes Glashaus hoch über Rio lädt, oder nach Niterói auf der anderen Seite der Bucht, wo sich das Museum für Zeitgenössische Kunst wie ein Ufo über dem Wasser erhebt. Dazu werden Kollegen, Intellektuelle, Weggefährten befragt. Und den schönsten Ausspruch tut der Dichter Eduardo Galeano aus Uruguay: Die hügelige Landschaft rund um Rio sei „von Gott an dem Tag geschaffen worden, an dem er dachte, er sei Oscar Niemeyer“.

Kurven, das sind Niemeyers Lieblingsformen, in der Architektur wie in der Natur. Bloß keine Reißbrettarchitektur, keine Häuser von der Stange, sondern Zeichen, Monumente. Ein paar davon sieht man im Film entstehen, unter Niemeyers Zeichenstift, und hätte gern noch viel mehr davon gesehen. Doch irgendwann setzt der rüstige alte Herr selbstbewusstschelmisch den Schlusspunkt: „Das Gespräch ist jetzt zu Ende.“ Und hatte zuvor noch sein Lebensmotto verraten: „Das Wichtigste sind die Frauen. Alles andere ist ein Witz“.

Babylon Mitte, Cinema Paris

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