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© Koch Media

Edge of Love: Mit all der Hitze meines Herzens

Dylan Thomas und die Liebe: Obwohl das durchaus leidenschaftlich ist, bleibt der Kostümfilm „Edge of Love“ insgesamt lau. Keira Knightley wird zum biederen Landei.

Er hat ihr die schönsten Liebesbriefe geschrieben – und sie nach Kräften unglücklich gemacht. „Du kannst mir beibringen, wie man in der Luft spazierengeht, und ich bringe Dir bei, wie Du ohne Noten schöne Geräusche auf dem Klavier machen kannst.“ schreibt Dylan Thomas im Juli 1936 an Caitlin MacNamara. Einige Wochen später wird er konkreter: „Schlagertexte haben immer Recht: Ich liebe Dich mit Leib und Seele – ich nehme an, Leib bedeutet, dass ich Dich berühren will und mit Dir im Bett sein will, & Seele bedeutet wohl, dass ich Dich in jeder Einzelheit der schlafenden und wachenden Welt hören & sehen & lieben kann.“ Und noch 1950, drei Jahre vor seinem frühen Tod, heißt es: „Caitlin. Dein Name, einfach so hingeschrieben. Caitlin. Ich muss nicht Meine Liebste, Mein Schatz, Mein Liebling schreiben, obwohl ich diese Worte längst Tag und Nacht vor mir hersage. Caitlin. Und alle Worte der Welt sind in jenem einen Wort.“

1950 kriselte es längst gewaltig, in der Ehe zwischen Dylan und Caitlin. Geldsorgen, seine ständigen Affären, Trunksucht und rastloses Reisen, während sie mit den Kindern allein in Wales sitzt: Die amour fou zweier freier Geister, die so ausgelassen und sorglos begonnen hatte, ist längst zum leidigen Dauerstreit geworden. Und doch sind da noch diese Briefe, diese Liebesschwüre, „glühende, natürliche Prosa, mit all der Hitze meines Herzens, oder, wenn das kalt ist, mit der all intellektuellen Hitze meines Hirns“, wie Dylan in einem Brief einmal geschrieben hat. Sind das bloß Worte, wider besseres Wissen? Heißt das, dass Sprache zwangsläufig lügt? Ist es nicht ein Privileg, in der Luft spazierenzugehen, wenn im Sumpf des Alltags alles herunterzieht?

Keira Knightley wird zum biederen Landei

„Edge of Love“ hat der britische Regisseur John Maybury („Love is the Devil“) seinen Film genannt, der deutsche Verleih hat daraus simplifizierend „Was von der Liebe bleibt“ gemacht. Nicht viel, will man meinen, nach diesem Film, der so wenig von Dylans glühender Prosa und realen Verführungskraft vermittelt. Und der selbst die leidenschaftlichsten Schauspielerinnen im biederen Alltag von Wolljacke und Gummistiefel stecken lässt.

Das beginnt schon mit Keira Knightleys erstem Auftritt. Sie soll Vera Phillips spielen, eine Jugendliebe von Dylan Thomas, die er im London des Kriegswinters 1944 wiedertrifft und die in überfüllten Untergrundbahnhöfen vor Soldaten als Sängerin auftritt. Knallrot geschminkte Lippen, perlweiße Zähne, nachtblaue Federn und perfekt ondulierte Haare – die ganze Person ein Fest der Künstlichkeit, wie aus der Hochglanzwerbung, aber ohne Leben, Feuer, Sexappeal. Mag sein, dass Keira Knightley keine große Sängerin ist – dass sie Temperament hat und blitzende Augen und Leidenschaft genug, um einen U-Bahn-Stollen aufzuwiegeln, hat sie bewiesen, und oft auch waren gerade die mäßigsten Sängerinnen die verführerischsten. Bei Maybury jedoch – und das ist schon eine Leistung – wird sie zum biederen Landei, das Avancen von Soldaten prüde zurückweist und am Ende von Ehe und Familie träumt. Und Dylan Thomas bleibt in Gestalt von Matthew Rhys vollends blass.

Die Frauenfreundschaft wird nicht zum Glühen gebracht

Da ist Sienna Miller von anderem Stoff. Ihre Caitlin muss nur ermattet auf der Bahnhofstreppe sitzen, die Haare zerzaust, die Bluse zerknittert, und auf den Geliebten warten, und als er auftaucht, blitzt und funkt es in der Luft. Ein Gang durch die Stadt, im roten, offen wehenden Mantel, die Soldaten pfeifen, und Caitlin lacht, das ist Verführung, dass es eine Lust ist. Schnell wird aus dem Duo ein Trio, weil auch Vera und Caitlin sich näherkommen. Aber diese Frauenfreundschaft und Frauenliebe, die nie frei von Eifersucht ist und doch von tiefer Nähe gehalten wird, die behauptet der Film nur und bringt sie nicht zum Glühen.

Produziert hat den Film Rebekah Gilbertson, die Enkelin von Vera Phillips, die ihre Großmutter gewiss nicht schwarzmalen wollte. Doch dass ausgerechnet Keira Knightleys Mutter Sharman Macdonald als Drehbuchautorin ihrer Tochter diese brave Rolle auf den Leib schreibt, lässt tief blicken. Dylan Thomas schrieb von Liebe, die das Leben explodieren lässt. Der Film bleibt am Boden kleben.

- Cinestar Hellersdorf, Filmkunst 66, Kino in der Kulturbrauerei, UCI Kinowelt Friedrichshain, OmU im Central, Cinestar Sony-Center, Moviemento und Xenon

Christina Tilmann

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