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Kino: Ein Gespräch im Hause Villanova

„Erzähl mir was vom Regen“ changiert zwischen Burleske und Familiendrama

Mit den tragikomischen Paaren der Literatur- und Filmgeschichte können die beiden es locker aufnehmen: Michel (JeanPierre Bacri) und Karim (Jamel Debbouze). Der eine ein hagerer Dokumentarfilmer, der bessere Tage gesehen hat, der andere sein ehemaliger Student, inzwischen Empfangsmann in einem kleinen Hotel. Der eine schiebt seine Professionalität als schützende Attitüde vor sich her, der junge Einwanderersohn wird getrieben von Widersprüchen zwischen Herkunft und Ambition. Ambivalent nähert er sich auch der frischgebackenen Politikerin Agathe Villanova (Agnès Jaoui), die zu einem Gastauftritt an den Ort ihrer Kindheit zurückkehrt. Sie kennt Karim bisher als Sohn ihrer früheren Kinderfrau Mimouna, die als Haushälterin von Agathes Schwester auf dem ehemals elterlichen Anwesen lebt.

Jetzt soll Karim den Türöffner spielen. Denn Michel und Karim wollen Agathe für ein Filmprojekt „Erfolgreiche Frauen“ interviewen. Das erste Treffen setzen sie aber konzeptlos und technisch ungeschickt in den Sand, auch später macht Agathe erstaunlich gelassene Miene zum dilettantischen Spiel. Privat sitzt der kämpferischen Frauenrechtlerin ein vernachlässigter Lebensgefährte im Nacken – und Schwester Florence, die unter der geschwisterlichen Konkurrenz leidet und ihrer Ehe in eine Liaison ausgerechnet mit Michel entflieht.

Ein familiäres Setting von fast Tschechow’schem Format ist es, das die komödiantisch inszenierten Szenen des Interviewprojekts grundiert. Doch was in Jaouis und Bacris früheren Filmen durch das perfekte Gleichgewicht zwischen Emotion, sozialer Präzision und komödiantischer Laune verführte, verläuft sich diesmal in einer dicht konstruierten Geschichte. Burleske und Schwesterndrama, empfindsamer Ton und Sozialsatire: Statt sich zu bereichern, neutralisieren sich die Modulationsweisen des Erzählens. Am stärksten im Gedächtnis bleiben die Figuren, die am Rande stehen: Michels tapsiger Sohn. Karims unglückliche Kollegin. Und natürlich Mimouna, die Mütterliche, Tapfere, Zerbrechliche – und doch Stärkste von allen. Silvia Hallensleben

Cinemaxx, Filmkunst 66; OmU im fsk am Oranienplatz und im Odeon

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