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Fabtasiewelten für die Generation Facebook: Flat, Chat, Terror

Flashmob war gestern: Im Film "8. Wonderland" greifen Aktivisten über soziale Online-Netzwerke aktiv ins weltweite soziale Geschehen ein.

Der Gedanke liegt im Zeitalter der Globalisierung und des Internets nahe: Warum nicht einen eigenen virtuellen Staat schaffen, der sich als utopische Alternative gegen bestehende Politikstrukturen profiliert? In Jean Machs und Nicolas Albernys „8. Wonderland“ geht es jedoch nicht um die Erfindung einer heilen Welt im Cyberspace, sondern um ein soziales Netzwerk, das nicht nur wie Youtube oder Myspace der privaten Selbstdarstellung dient, sondern aktiv weltweit ins gesellschaftliche Geschehen eingreift.

In Afrika, Europa, Amerika und Asien sitzen die Bürger von „8. Wonderland“ vor dem Computer oder am iPhone, um ihre nächsten politischen Aktionen im Chatroom zu koordinieren. So stellen die Aktivisten etwa im Vatikan Kondomautomaten auf oder entführen als Protest gegen die Todesstrafe in den USA zu Thanksgiving einen Truthahn, der vom Präsidenten höchstpersönlich begnadigt wurde. Ihre originellen Kampagnen bekommen große internationale Medienaufmerksamkeit, aber schon nach wenigen Tagen ist der Hype vorbei.

Und so geht die vernetzte Spaßguerilla – wie viele Widerstandsbewegungen – den Weg der Radikalisierung. Drei millionenschwere Fußballstars werden entführt und müssen für einige Tage in einem chinesischen Sweatshop gemeinsam mit den Kinderarbeitern Turnschuhe zusammennähen. Ein südamerikanischer Regierungschef, der mit der Drogenmafia zusammenarbeitet, wird per Internetabstimmung zum Tode verurteilt und von einem eingeschleusten Aktivisten liquidiert. In dem immer erfolgreicheren politischen Kampf geraten jedoch auch die eigenen Werte massiv ins Zwielicht – etwa wenn die Kinder der G-8-Präsidenten mit HIV infiziert werden, nur damit eine weltweite Kampagne gegen Aids in Gang kommt.

In ihrem globalisierungskritischen Thriller „8. Wonderland“ entwerfen die beiden französischen Filmemacher eine soziale Utopie im virtuellen Raum: Sie installieren ein internationales, basisdemokratisches System, das jedoch durch Druck von außen und interne Unstimmigkeiten die selbst gesetzten moralischen Grenzen verletzt. Leider stehlen sich die Filmemacher im Diskurs über den Preis von Radikalisierung und realpolitische Effizienz viel zu schnell aus der Affäre, indem sie die Verantwortung für zweifelhafte politische Aktionen im Nirwana des Chatrooms versanden lassen. Die endlosen Onlinediskussionen sind auch der dramaturgische Schwachpunkt des Filmes, der ohne Hauptfiguren auskommt und die Politthriller-Handlung immer wieder durch kollektive Entscheidungsprozesse ausbremst.

Kulturbrauerei, Neues Kant; OmU im Central und im Moviemento

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