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Familiendrama: Unter allen Gipfeln

Sommer zu viert: Florian Eichinger hat mit „Bergfest“ ein Kammerspiel zu viert in über 1000 Meter Höhe gedreht.

Kalt, groß und ruhig stehen sie da. Was für ein Bergpanorama! Vier Menschen sehen hinaus, ohne viel zu sagen. Es gibt nicht so schnell noch einen Moment in diesem Film, wo sie so schweigsam sind. Moderne Menschen sind welche, die immer zu viel reden.

Vielleicht beeindruckt sie auch, dass die Berge stets da bleiben müssen, wo das Schicksal sie nun einmal hingestellt hat. Jeden Morgen der gleiche Nachbar, und das über Jahrtausende. Menschen halten das kaum ein paar Jahre aus und moderne schon gar nicht. Das Problem ist nur: Kinder sind nie modern. Ihre Seelen sind nicht modern. Vielleicht sind menschliche Seelen überhaupt modernisierungsresistenter als gedacht?

Florian Eichinger hat ein Kammerspiel zu viert in über 1000 Meter Höhe gedreht; es ist sein Erstlingswerk, bereits mit mehreren Filmpreisen bedacht. Schauplatz ist die Familienberghütte. Aber was genau heißt hier Familie?

Vater und Sohn haben sich seit acht Jahren nicht gesehen. Hannes wäre mit seiner Freundin nie hier hoch gekommen, hätte er gewusst, dass er den Schuldbeladenen antrifft. Über die Jahre hat er ein tiefes seelisches Verletztsein kultiviert.

Martin Schleiß in seiner ersten großen Rolle zeigt diesen Sohn, stolz und gekränkt, sensibel und verhärtet zugleich. Peter Kurth spielt den Vater, einen alternden Theaterregisseur, mit der ruhigen, starken Selbstverständlichkeit, mit der manche sich selbst begegnen. Schuld? Er kann sich nicht erinnern.

Vielleicht ist die Hauptschuld zeitgenössischer Väter immer die gleiche. Sie liegt im Nichtdagewesensein, im Zufrühgegangensein, oft nicht einmal durch eigenen Vorsatz. Aber besteht nicht die elementare Vaterpflicht darin, sein Kind vor der Zumutung seines Nachfolgers zu bewahren? Nun steht dieser Nicht-Vater da, mit einem frisch geschossenen Berghasen in der einen Hand und die Freundin an der anderen. Einer Freundin (Rosalie Thomass), die seinem Sohn gewiss zu jung wäre. Worüber soll man mit einer Neunzehnjährigen reden? Andererseits setzt der Sohn wohl auch den Hasenschützen in Verlegenheit. Kommt hier hoch, um seine Verlobung zu feiern: Nur Spießer verloben sich!

Martin Schleiß, Peter Kurth, Rosalie Thomass und Anna Brüggemann als Hannes’ Freundin vermessen die Abstände zwischen den einander nächsten und fernsten Menschen und auch zwischen den Generationen neu. Sie sind dabei dem zeitgenössischen Therapeuteneinheitstonfall mal wohltuend fern, dann wieder bedenklich nahe. Zuletzt ist da die Probe: Wie kränkbar sind Väter mit jungen Freundinnen?

fsk am Oranienplatz

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