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Fantasiewelten für die Generation Facebook: Fluchtort Familie

Im Anime "Summer Wars" wird die Welt von einem außer Kontrolle geratenen sozialen Netzwerk bedroht.

Ein Film für die Generation Facebook: In „Summer Wars“ bedroht ein außer Kontrolle geratenes Social Network die Welt. Lediglich ein anderes, sozusagen analoges Netzwerk – eine Familie – kann dem Angreifer Paroli bieten. Das digitale Wunderland in dem japanischen Anime-Film heißt OZ. In diesem Internet-Netzwerk erschaffen sich die Menschen ein Alter Ego, einen Avatar, um dort zu shoppen, ihre Rechnungen zu begleichen oder sich einfach unterhalten zu lassen. Gar so weit von unserer Realität mit Plattformen wie Facebook oder Second Life ist OZ also durchaus nicht entfernt.

Zu Beginn wird Oberstufenschüler und Mathematikgenie Kenji von seiner Mitschülerin Natsuki eingeladen, mit in ihre Heimatstadt zu reisen. Dort feiert Natsukis Familie den 90. Geburtstag von Großmutter Sakae. Zu seiner Überraschung stellt Natsuki, das Mädchen seiner Träume, ihn als ihren Verlobten vor. In der ersten Nacht bekommt Kenji eine mysteriöse E-Mail mit einem mathematischen Rätsel. Kenji kann es knacken und schickt die Auflösung zurück.

Als er am nächsten Morgen aufsteht, ist OZ komplett aus den Fugen geraten. Zum Erstaunen Kenjis ist sein Avatar, über den er keine Kontrolle mehr besitzt, daran schuld. Sein Alter Ego verschmilzt bald darauf mit anderen gekaperten Avataren und will die analoge Welt in eine nukleare Wüste verwandeln. Angesichts dieser Bedrohung beschließt Natsukis Familie, gemeinsam in OZ gegen den Monster-Avatar anzutreten.

Mamoru Hosoda, der vor drei Jahren den vielgelobten Anime „Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“ drehte, geht in seinem Film einigen relevanten Fragen nach. Wie sicher sind unsere persönlichen Daten im Internet? Welche Probleme ergeben sich aus der Vermischung von digitalem und natürlichem Lebensraum? Und: Wie wirken sich Handlungen im virtuellen Raum auf die Wirklichkeit aus? Großmutter Sakae kostet der Fehler im System sogar das Leben, da der Notarzt nicht rechtzeitig von ihrem kritischen Zustand erfährt.

„Summer Wars“, temporeich und spannend erzählt, setzt sich also durchaus kritisch mit der virtuellen Lebenswelt auseinander. Wenn zwischen den Kämpfen in OZ und dem idyllischen Landgut der Familie hin und her geschnitten wird, erscheint die natürliche Landschaft eindeutig lebenswerter als jede aus Bits und Bytes nachgebaute Welt. Diese Einstellung spiegelt sich auch in der Machart des Films wider. Computeranimationen à la Pixars „Toy Story 3“ gibt es nicht. Vielmehr sind die handgezeichneten Figuren und Hintergründe ein Liebesbeweis an den Zeichentrickfilm des ganz und gar analogen Zeitalters.

fsk, Tilsiter Lichtspiele, Babylon Mitte

Michael Schulz

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