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Kino: Federn lassen

„Im Bett – En la cama“, ein Extremfilm aus Chile

Nicht die schlechteste Möglichkeit, Sex im Kino zu zeigen: fast abstrakt und so übernah, dass die Körper sich im Spiel von Licht und Schatten auflösen. Nur der Ton ist klar. Der ausgiebige Vorspann zeigt die erste von vier Sexszenen, und doch: Die Begierde ist nur der Anlass für das eigentliche Geschehen. Der Rest ist Reden, unterbrochen vom Beischlaf, von einer kurzen Tanzszene, einer Kissenschlacht und diversen Toilettengängen, bei denen der jeweils Zurückgebliebene die Taschen des anderen durchwühlt.

Der 24-jährige chilenische Regisseur Matías Bize ist ein filmischer Hochleistungsathlet, der den äußeren Widerstand braucht, um an seiner Überwindung zu wachsen. Seinen ersten Spielfilm „Sabado“ drehte er in Echtzeit und einer einzigen Einstellung. Der Titel seines zweiten Films „Im Bett – En la cama“ (ebenfalls mit Blanca Lewin in einer Hauptrolle und einem Plot, der als Prequel gelten kann) verrät es: Diesmal setzt der Schauplatz die Grenzen. Ein einziger Raum, ein klaustrophobisches Motelzimmer mit dunkelroten Wänden, ohne sichtbare Fenster, ein Bett, ein Badezimmer mit Wanne. Und zwei Menschen, die das tun, was zwei Menschen tun, die nach einer Party im Motel landen: vögeln und reden.

Geredet wird über Bakterien im Bett und beim Küssen, frühere Amouren, Filme, Reiki-Massagen, ein geplatztes Kondom, die Theodizee, Bulimie, Traumata und mögliche Hochzeitsgeschenke. Dabei mischt sich inszenatorische Raffinesse mit naturalistischer Detailtreue. Spätestens als die beiden einander ihre Narben vorführen, wünscht man sich, die Minuten dieser Nacht möchten etwas schneller vergehen. Auch fehlt den von Telenovela-Stars gespielten Figuren die Ausstrahlung, um die emotionalen Turbulenzen gegen Ende glaubwürdig in Szene zu setzen. Vielleicht ist das im Original anders. Doch die auf Maß gestutzten Sentenzen der deutschen Synchronfassung legen einen Schleier ungewollter Verfremdung über den redseligen Film.

Filmakrobat Bize hat sich einiges einfallen lassen, um sein Kammerspiel abwechslungsreich zu inszenieren. Mal blickt die Kamera von der Decke auf das Paar, das auf dem Bett drapiert ist, dann kriecht sie von unten an Danielas Beinen vom Fußboden hinauf. Die Musik ist sparsam und pointiert eingesetzt, die Regeln der Schnittführung werden mit großer Kunst und einigen Jump-Cuts verletzt. Mit zu großer Kunst vielleicht? Am Ende jedenfalls sind alle Mühen vergebens, der Funke will nicht überspringen: Die gefühlte Zeit des 85-Minuten-Films geht in Richtung drei Stunden. So bleibt „En la cama“ die zweite brillante Fingerübung des jungen Hochbegabten Matías Bize. Silvia Hallensleben

Kino in der Kulturbrauerei, Neues Kant, Babylon Mitte, Central, OmU: fsk am Oranienplatz

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