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© boxfish

Film: Die eiskalten Engel

Freund, Feind, Verräter: „Tage des Zorns“ erzählt von Widerstandskämpfern in Dänemark.

Der Showdown hat surreale Qualität. Ein Mann im Schlafanzug, allein im Bett in einer herrschaftlichen Villa, die verlassen scheint, ein Geisterhaus. Plötzlich: Hunderte von Gestapo-Beamten im Garten, Glas splittert, Schüsse pfeifen. Seelenruhig öffnet der Mann seinen Koffer, und packt sein Waffenarsenal aus. Einer gegen alle – irrwitzig, den Kampf überhaupt aufzunehmen. So irrwitzig, wie als kleine, unorganisierte Gruppe den deutschen Besatzern in Dänemark Widerstand leisten zu wollen.

„Tage des Zorns“, der dänische Überraschungserfolg von Ole Christian Madsen („Kira“), ist nach Paul Verhoevens „Black Book“ im vergangenen Jahr der zweite Film, der sich mit dem Widerstand in einem von den Nationalsozialisten besetzten Land beschäftigt. In Dänemark sind es die beiden Widerstandskämpfer Flame und Citron (die es wirklich gab), um die Madsen sein opulentes Heldenepos baut. Geschichtsstunde in satten Ausstattungsbildern, ein Kampf wie im Gangstermilieu von Chicago. Viel Mühe bei Kostümwahl und Kulissen. Die Figuren geraten dabei etwas holzschnittartig.

Dabei steckt einiges an Konfliktpotenzial in dem Stoff. Die Widerstandsgruppe Holger Danske, die zunächst gegen dänische Kollaborateure, dann auch gegen höhere Nazibeamte in Dänemark vorgeht, mag von patriotischem Feuer getrieben sein. Bald jedoch verwirrt sich das Bild. Wer ist Freund, wer Feind, wer Verräter? Auch die Widerstandskämpfer, die sich bei ihren kaltblütigen Tötungsaktionen zunächst als Helden feiern lassen, werden zunehmend vom Zweifel angefressen. Was wird aus einem Menschen, der täglich töten muss, fragt der Film. „Jemanden einfach von hinten erschießen, muss sehr, sehr grenzwertig sein“, hat Mads Mikkelsen über seine Figur Citron gesagt. „Jemand, der diese Grenze überschreitet, tut das meiner Ansicht nach nicht ohne bleibende psychische Schäden.“

Citron ist die interessanteste Figur. Ein Freiheitsjunkie, ein Borderliner, der jede Art von normalem Leben, Haus, Frau und Kind, längst aufgegeben hat und nur noch für den Kick im Untergrund lebt. Unrasiert, fiebriger Blick, fahrige Gestik: Mads Mikkelsen gibt diesen Citron als Getriebenen. Doch als er schießen soll, kann er es nicht. Sieht so ein echter Held aus?

Da ist Thure Lindhardts Flame schon eher eine Vorbildfigur. Ein Idealist, ein Überzeugungstäter – der Hass brennt in ihm mindestens so hell wie seine feuerroten Haare, die ihm seinen Spitznamen „Flamme“ verliehen haben. Ein eiskalter Engel, der durch die Straßen geht, schießt, weiterläuft, ruhig und ungerührt: ein Kampf für die richtige Sache. Doch seine Liebe zur geheimnisvollen Ketty Selmer (Stine Stengade), die als Kurier sowohl für die Polizei wie auch für die Gestapo tätig ist, bringt schließlich auch Flames Überzeugungen ins Wanken. Welche Rolle Ketty wirklich spielt, erfährt man nie.

Es sind diese Nebenfiguren, mit denen der Zweifel ins Bild dringt. Zum Beispiel mit Horst Ernst Gilbert, dem Hanns Zischler einmal mehr eine seelenruhige, unzweifelhafte Autorität verleiht. Ist er nun hochrangiger Nazi oder Widerstandskämpfer, abgeklärt oder schlicht abgebrüht? Man erfährt es nicht. Dass Zischler es so im Unklaren lässt, macht die Figur besonders stark.

Ähnlich der dänische Polizeichef Axel Winthur (Peter Mygind), Auftraggeber von Flame und Citron. Ist er ein aufrechter Widerstandskämpfer, ein Strippenzieher auf eigene Rechnung oder vielleicht doch ein Kollaborateur? Vom europäischen Widerstand, das macht der Film trotz all seiner Schwächen deutlich, weiß man noch immer wenig. Zu wenig, um es am Ende mit satten Gewehrschüssen bewenden zu lassen.

Cinemaxx Potsdamer Platz, Kino in der Kulturbrauerei, Neues Kant, Zoo Palast

Christina Tilmann

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