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Thome

© dpa

Film: Rudolf Thome: Unter Frauen

Mit seinen kleinen Geschichten hat er selbst längst Geschichte geschrieben. Regisseur Rudolf Thome zum 70. Geburtstag.

Als junger Mann hatte Rudolf Thome einen ungewöhnlichen Filmgeschmack. Ihm gefielen die Spätwerke von Fritz Lang, Jean Renoir und Charles Chaplin, die bei anderen nur trauriges Kopfschütteln verursachten. Thome hatte eine Ader für das Langsame, Abgeklärte. Man kann auch sagen: Statt sich vor dem Älterwerden zu fürchten und dagegen anzukämpfen, hat er sich schon als junger Mann darauf vorbereitet. Heute feiert er seinen 70. Geburtstag.

Für einen Außenseiter, dessen leise, verspielte Filme ohne großen Werbeaufwand in die Kinos kommen, hat er erstaunlich viel Kritik einstecken müssen. Er polarisiert, obwohl er nie kontroverse Themen angepackt hat. Kein Film gegen Springer oder Strauß, über Berufsverbote oder die Anti- Atomkraft-Bewegung. Keine quälenden Dramen, keine Hysterie, kein Zynismus. Dennoch hat er Gegner, die ihm vorwerfen, seine Filme seien zu langsam. In ihnen wird zu viel geredet. Die Liebesgeschichten sind bloße Versuchsanordnungen. Ihn interessiere als Milieu nur die gebildete Oberschicht („Toskana-Fraktion“). Kaum einer seiner Filme kommt ohne ein Picknick im Freien aus, fast immer wird Rotwein getrunken.

Man kann sich schlimmere Einwände vorstellen. Auch über seine Selbstdefinition als Feminist lässt sich streiten. Was letztlich zählt, ist der radikale Individualismus. Von ihm kam er auch nicht durch die Zusammenarbeit mit Hannelore Elsner ab, die als Teil der Bambi-Schickeria einer gänzlich anderen Filmwelt zugerechnet wurde. „Rot und blau“ (2003) war der erste von fünf gemeinsamen Filmen; der Regisseur hatte eine neue Muse. Das wilde, hippe München der 60er Jahre hat beide geprägt. Hier entstanden Thomes frühe, immer noch bekannteste Filme: „Detektive“ (1968), „Rote Sonne“ (1969), „Supergirl“ (1971). Sie wirken heute wie Fremdkörper in seinem Werk, mit ihren Anleihen beim US-Genrekino, den flotten Autos, den glamourösen Jungstars Uschi Obermaier und Iris Berben.

Ausgerechnet in den 70ern, als der Neue Deutsche Film seine großen internationalen Erfolge feierte, verstummte Thome. Jedenfalls als Regisseur. Er zog nach Berlin, fand Arbeit beim Arsenal, war Mitautor einer Monografie über Roberto Rossellini und schrieb Kritiken für den Tagesspiegel. Zwischendurch verdiente er Geld auf dem Bau. Und er war Kreditsachbearbeiter bei einer Bausparkasse. Thome hätte nie so lange in der Filmbranche durchgehalten, wenn er nicht gut wirtschaften und Geld auftreiben könnte.

Mit „Berlin Chamissoplatz“ (1980) gelang ihm mehr als nur ein Comeback. Thome war jetzt der Chronist des Westberliner Bildungsbürgertums. Filme wie „Tarot“ (1986, nach Goethes „Wahlverwandtschaften“), „Das Mikrosokop“ (1987), „Der Philosoph“ (1988) und „Sieben Frauen“ (1989) beleuchteten das Liebesleben kultivierter Männer, die meist von ihren Frauen zärtlich umsorgt und von Hanns Zischler verkörpert wurden. Die gesellschaftliche Realität war durchaus gegenwärtig, aber für Thome stand immer der Mensch mit seinen Gefühlen im Vordergrund. Er ist kein Regisseur, der Geschichte schreiben will. Mit seinen kleinen Geschichten hat er das längst getan. Frank Noack

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