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Gere

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Filmkritik: Die Pulversüchtigen

Richard Shepards "Hunting Party" erzählt von einem Kriegsreporter, der erst größenwahnsinnig wird und dann an seinem Job zerbricht.

Kriegsreporter sind, wenn sie nicht selbst zwischen die Fronten geraten, auch Kriegsgewinnler: Sie profitieren umso mehr, je länger die Kämpfe dauern, und spätestens seit dem zweiten Irakkrieg – Stichwort: embedded – darf das Ethos der gesamten Zunft, das auf der Prämisse der Neutralität beruht, angezweifelt werden.

Richard Shepards „Hunting Party“ kommt zunächst als ein nichts beschönigender Film über das Handwerk des Kriegsberichterstatters daher – und gerät zu einer Art Heldensaga, personifiziert in den Figuren des US-Journalisten Simon Hunt und seines Kameramannes Duck, aus dessen Perspektive erzählt wird. In Montagesequenzen und actionreichen Bildern voller Pulverdampf, Schlachtfeldern und zerbombten Häusern erlebt man Aufstieg und Fall des Simon Hunt: Richard Gere gibt ihn als glamourösen Typ, der zunehmend in Elend, Suff und Verwahrlosung abrutscht.

Hunt ist immer am nächsten dran. Und seine Karriere ist steil. Gemeinsam mit Duck rast er von Krieg zu Krieg, in Südamerika, Asien, Afrika und schließlich Europa. Hemdsärmelig und schnoddrig gibt sich das von Männern betriebene Gewerbe; Kumpanei, Zynismus und ständige Adrenalinausschüttungen helfen dabei, den Alltag inmitten allgegenwärtigen Todes zu überstehen. So was macht süchtig, sagt Duck einmal im Off-Kommentar. Wobei man begreift, dass Kriegsberichterstatten vom Kriegführen selber nicht weit entfernt ist: Eindeutig lassen sich die psychischen und sozialen Folgen beider Berufe vergleichen.

Simon Hunt wird hoch bezahlt und mit Preisen dekoriert. Oft benimmt er sich schlecht vor lauter Größenwahn – und dann, im Balkankrieg Mitte der neunziger Jahre, bricht er vor laufender Kamera zusammen. Sein Äußeres ist desolater, als man es selbst einem Kriegsreporter zubilligt, und als er mit der Whiskyflasche in der Hand von einem Massaker an der Zivilbevölkerung berichtet, während die Kampfhandlungen bereits eingestellt sind, bricht sein Redakteur in den USA die Live-Schaltung ab. Danach, so berichtet Duck, verschwand Hunt buchstäblich von der Bildfläche.

Nach der überzeugenden ersten Hälfte hätte „Hunting Party“ ein Film werden können, der einem solchen Schicksal nachgeht: Was passiert mit einem traumatisierten Mann in einem fremden Land, das er nur im Kriegszustand kennt, wenn ihm der Rückweg in die Heimat versperrt ist? Stattdessen setzt die Handlung fünf Jahre später wieder ein, als Duck nach Sarajevo zurückkehrt, wo ihm Simon Hunt auflauert. Er ist zu einer Art Desperado geworden, besessen von der Idee, einen fiktiven Kriegsverbrecher zu fangen – den „Fuchs“, auf dessen Kopf eine hohe Belohnung ausgesetzt ist. Natürlich muss das gut gehen, es ist schließlich eine Heldensaga. Leider verliert der Film dadurch alle Glaubwürdigkeit.

In acht Berliner Kinos; Originalversion im Cinestar SonyCenter

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