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Durchtrainiert. George Clooney spielt in "The American" einen Killer im Wartestand. Fitness kann dabei nicht schaden.

© Tobis

Filmkritik: "The American": George Clooneys erster Erotikthriller

Anton Corbijn hat Martin Booths Romanvorlage "A Very Private Gentleman" verfilmt: Herausgekommen ist "The American", ein Thriller mit George Clooney - und verblüffend nackten Tatsachen.

In Cannes, drei Jahre ist das her, war der Film einhellig umjubelt worden: „Control“, das Debüt des Rockfotografen Anton Corbijn. Und auch als er dann ins Kino kam, formulierten allenfalls die Popmusikwissenschaftler artig Zweifel daran, ob Corbijn in seinem Porträt des früh verstorbenen Ian Curtis, Frontmann der Postpunkband Joy Division, den bandhistorischen Hintergrund denn ausreichend gewürdigt habe. Und da und dort fand sich die Fußnote, Corbijn sei auch im eleganten Schwarzweißfilmen vor allem ins Fotografische, also ein wenig Statische verliebt gewesen.

Inhalt verfehlt, Form verfehlt? So krass wurde damals nicht geurteilt, und so grausam dürfte auch nun, da mit „The American“ der zweite Corbijn-Film vorliegt, das Echo nicht ausfallen. Schließlich hat der 55-jährige Niederländer für seinen überwiegend in den italienischen Abruzzen spielenden Thriller für die Hauptrolle keinen Geringeren als George Clooney verpflichtet, der seinen nach Millionen zählenden Fans in diesem Film fast in Portfolio-Intimität entgegentritt. Zudem sind die so entlegenen wie kargen Bergdörfer fotografisch aufs Erlesenste eingefangen. Als Star-Vehikel, zudem in pittoreskem Ambiente, eignet sich „The American“ also durchaus, am besten so zu genießen, wie es der Titel von Martin Booths Romanvorlage nahelegt: „A Very Private Gentleman“.

Schwieriger wird es für jene Klientel, die von einem Thriller vor allem Spannung und eine handfeste Story erwartet. Jack ist zwar Auftragskiller und, wie eine Vielzahl von Einstellungen belegt, ein begnadeter Büchsenbastler, aber in wessen Auftrag und zu welchem Zweck, bleibt bis zuletzt reichlich geheim. Wohl gibt es eine Art Paten, mit dem er gelegentlich höchst wortkarg mittels voluminöser öffentlicher Münzfernsprechgeräte telefoniert; wohl auch findet sich mit einer gewissen Mathilde (Thekla Reuten) eine Auftragsüberbringerin im Detail, die Jack mitunter zu Schießübungen am Ufer malerischer Bergbäche einlädt. Zudem gibt es eine insgesamt niedliche Verfolgungsjagd über binnendörflichen Stock und Stein, an der Clooney auf einer Vespa zwischenzeitlich besorgniserregend abenteuerlich Anteil hat und einen weniger niedlichen, dafür sehr abrupten Showdown. Doch die für einen Thriller essenzielle Frage „Wer gegen wen und warum?“ bleibt arg im Vagen.

Überdeutlich hat Corbijn dagegen den amourösen Faktor in „The American“ herausgearbeitet. Der lonely rider, dessen Durchtrainiertheit Clooney etwa beim Workout in seiner Bergdorfklause beeindruckend präsentiert, verliebt sich in eine schöne Hure namens Clara (Violante Placido). Sie ist es, die ihm allerlei einsame Verrichtungen, etwa die mühselige Waffenkonstruktion vor der Ausführung eines möglichen Auftrags, nächtens versüßt. Bald trifft man sich bei Tage, bald ist man ein Paar. Und Violante Placido ist das Vergnügen an der Aufgabe, ein in Clooney verliebtes Liebchen zu spielen, stets allerliebst anzusehen.

Der Held selber hat freilich, sowohl in erotischer als auch existenzieller Verwicklung, mitunter den Schmerzensmann zu geben – und das gelingt dem in seinen Rollen üblicherweise strahlend, dynamisch, allenfalls mal nachdenklich konzentriert geforderten George Clooney nur mit sichtlicher Mühe. Wobei das Drehbuch (Rowan Joffe) ihm nicht nur dabei kaum eine Hilfe ist. Oder sollte bereits der Roman selber, von seinem schicken Titel abgesehen, nur wenig Substanzielles aufzubieten haben?

Mit anderen Worten: die Exegese von „The American“, einem der mysteriöseren Projekte der neueren Filmgeschichte, steckt noch ganz in ihren Anfängen. Schon verfolgen Beobachter die Fährte, es handle sich um die Skizze zu einem post-postmodernen Italowestern, was sie mit einer kurzen, musikalisch legendär untermalten Szene aus dem legendären „Spiel mir das Lied vom Tod“, sehr ausdrücklich dargeboten auf dem Fernseher der Dorfkneipe, zu belegen trachten. Wahrscheinlicher ist wohl die These, Corbijns neuer Film, der vor allem weiblicherseits immer wieder auf verblüffend nackte Tatsachen setzt, gehöre zum Genre der Spätest-Italo-Erotikthriller. Dem gereiften Womanizer Silvio Berlusconi immerhin könnte er gefallen. Jan Schulz-Ojala

In 15 Berliner Kinos; OV im Cinestar SonyCenter, OmU in der Kulturbrauerei

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