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Filmtipp: Frisches Glück und späte Funde

Japanischer Filmleckerbissen: Silvia Hallensleben entdeckt fern- und nordöstliche Universen.

Es ist ein eher rares Glück, auch im reiferen Erwachsenenalter noch unbekannte Filmemacher entdecken zu können, die das cineastische Universum substanziell bereichern. Der 1924 geborene japanische Regisseur Yasuzo Masumura ist so ein Fall: Über 60 Filme hat er gedreht, die bedeutendsten davon in den späten fünfziger und sechziger Jahren. Doch bis vor kurzem kannten den exzentrischen Studioarbeiter, der unter anderen Nagisa Oshima zum Vorbild diente, in Deutschland nur ein paar Experten. Jetzt sind acht seiner Filme erstmals bei uns zu sehen, und machen in ihrer grellen Mischung aus ausgefeiltem Stilbewusstsein und harscher Gesellschaftskritik gleich Lust auf mehr. Giganten und Spielzeuge (Montag im Arsenal) etwa aus dem Jahr 1958 ist eine bonbonbunte Satire auf das japanische Wirtschaftswunder, die die Werbemanager dreier Süßwarenfirmen im Nahkampf gegeneinander antreten lässt. Ein Hochgenuss für sich! Doch Kenner der Filme von Yasujiro Ozu oder Mizoguchi dürften sich besonders freuen, wie hier das – in deren Filmen in gediegenen Farben gezeichnete – Nachkriegsjapan als schriller Comic wiederaufersteht.

Masumura hat unter anderem in Italien bei Visconti und Antonioni studiert. Der neue philippinische Neorealismus wurde unlängst erst an dieser Stelle in hohen Tönen gepriesen. Jetzt gibt es – im Filmprogramm zum großen Re-Imagining-Asia-Projekt – die Möglichkeit, mit Lav Diaz einen außerordentlichen philippinischen Filmemacher kennenzulernen, dessen letzte Arbeiten sich allein schon durch ihre Länge dem normalen Kinoprogramm sperren. Auch für die neun Stunden von Heremias muss der Zuschauer einen großzügig bemessenen Norm-Arbeitstag opfern. Doch Diaz’ Erzählrhythmus ist dem opulenten Volumen angepasst und entfaltet in epischen Mindestens-Zehn-Minuten-Totalen die ergreifend schlichte Geschichte eines fahrenden Korbwarenhändlers, der durch den Diebstahl seines Wohn- und Warenwagens aus dem alltäglichen Trott gerissen wird. Bei der Suche wird er Mitwisser eines geplanten Mordes. Ein selten eindringlicher Film, leider ist die Vorstellung am Sonnabend im Haus der Kulturen der Welt erst um 20 Uhr programmiert, so dass man nach dem bitteren Ende von Heremias’ Reise Sonntag früh mit den letzten Clubrückkehrern den Nachtbus teilen muss. Ein echtes Handicap für ältere Cineasten.

Um Schuld und Sühne geht es selbstverständlich auch in Aki Kaurismäkis freier Adaption von Dostojewskis gleichnamigem Roman: Rikos ja rangaistus (Schuld und Sühne) war sein Spielfilmdebüt in den achtziger Jahren und entfaltet schon recht vollendet, wenn auch sehr schnauzbartträchtig, das Kaurismäki’sche Universum aus melancholischen Alkoholikern und tapfer liebenden Frauen. Am Sonntag wird der Film im Zeughauskino in der Reihe HelsinKissBerlin präsentiert, in der auch der Stadterleuchterin unbekannte (und deshalb hier leider unvorgestellt bleibende) Raritäten wie Nyrki Tapiovaaras Varastettu kuolema (Gestohlener Tod, 1938) auf dem Programmzettel stehen.

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