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Football under cover

© promo

''Football Under Cover'': Kreuzberg gegen Teheran

Die mitreißende Doku ''Football Under Cover'' zeigt, wie Sport und Kultur die Politik überlisten können.

Für Sanna El-Agah ist Fußball das Größte. Ihre Augen leuchten, wenn sie vom Kicken erzählt. Sanna, die alle nur Susu nennen, ist Stürmerin beim Kreuzberger Verbandsligaverein BSV AL-Dersimspor. Nichts kann sie stoppen, wenn sie spielen will. Da klettert sie schon mal über einen 15 Meter hohen Zaun, und wenn da dann Jungs spielen – umso besser! Die macht sie alle.

Für Niloofar Basir ist Fußball das Größte. Ihre Augen leuchten, wenn sie von David Beckhams Ballbehandlung spricht oder auf der Spielkonsole das Team von Real Madrid steuert. Will sie selber im Park kicken, muss sie sich erst von Kopf bis Fuß verhüllen. Manchmal tarnt sie sich als Junge, zieht die Baseballkappe tief ins Gesicht und den Reißverschluss des Trainingsanzugs ganz hoch. Wird sie erwischt, bekommt sie eine Anzeige. Denn Niloofar lebt im Iran. Ihr Team – die Frauennationalmannschaft – hat seit der islamischen Revolution 1979 kein offizielles Spiel bestritten.

Das zu ändern, setzten sich drei Filmemacher in den Kopf, die sich 2005 auf dem Berlinale-Talent-Campus kennengelernt hatten. Der Iraner Ayat Najafi und die deutschen Geschwister David und Marlene Assmann wollten ein Freundschaftsspiel für das iranische Team organisieren und es auf Film festhalten. Die Gegnerinnen: BSV Al-Dersimspor, Marlene Assmanns Freizeitmannschaft.

Die außergewöhnliche Doku „Football Under Cover“, die im Februar auf der Berlinale lief, begleitet Marlene und Ayat bei den komplizierten Vorbereitungen der Begegnung. In Deutschland fehlt es an Sponsoren, im Iran rücken die Behörden keine Visa für die Kickerinnen heraus. Mehrmals muss das Spiel verschoben werden. Gleichzeitig wird fleißig trainiert und Niloofar klebt in Teheran Werbeplakate.

Der Film ist auch nebenbei Beleg dafür, dass Sport immer politisch ist, als Spielball der Mächtigen, die seinen Glamour und seine Symbolkraft nach Bedarf propagandistisch einsetzen – oder auch bremsen. Vom alten Rom mit seinen Gladiatorenkämpfen und Wagenrennen über die mittelalterlichen Ritterturniere bis zu den Olympischen Spielen, ob 1936 oder Peking: Immer zeigten und zeigen dabei Kaiser, Fürsten, Diktatoren auch ihre eigene Macht.

Manchmal allerdings geht es auch umgekehrt, und der Sport nimmt Einfluss auf die Politik. Zumindest ein bisschen. Das Frauenteam des BSV Al-Dersimspor macht quasi Graswurzelpolitik, indem es trotz aller Widerstände schließlich vor 1000 begeisterten Zuschauerinnen neben der iranischen Frauennationalmannschaft ins Ararat-Stadion einläuft.

Was dann an jenem Apriltag in Teheran geschieht, ist viel mehr als ein Fußballspiel. Es ist eine bewegende menschliche Begegnung und ein Statement für die Frauenrechte. Das Regime setzte zwar die Rahmenbedingungen: So müssen sich die Spielerinnen komplett verhüllen, und das Publikum wird von Sittenwächterinnen kontrolliert. Doch all das kann den Spaß nicht mindern. In der Halbzeit skandieren mutige Zuschauerinnen sogar Parolen wie: „Als Frau habe ich nur die Hälfte der Rechte!“

Doch auch dies gilt: Ohne den Film hätte das Spiel nie stattgefunden. Die Regisseure sagen offen, dass sie mit der Kamera Druck aufbauen wollten. So ist ihr Film auch das elegante Beispiel einer AgitDoku. Das bereits geplante Rückspiel fiel allerdings aus. Die Politik zeigte dem Sport denn doch, wer stärker ist – und ließ die Iranerinnen nicht ausreisen.

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