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Horatiu Malaele: Schriller als der Dorfhahn

Wille zur Originalität: der rumänische Debütfilm „Stille Hochzeit“ von Horatiu Malaele zeigt einen eisernen Willen zur Originalität.

Das Leben auf dem Dorf in den Zeiten des Kommunismus war schon immer voller böser Komik. Der revolutionäre Weltgeist von gestern trifft den beharrendsten, veränderungsunwilligsten Geist überhaupt: das Weltbewusstsein der Kleinschollenbewohner. Meine Welt ist so weit wie mein Dorf, sagt der Bauer. Jenseits deines Dorfes fängt die Welt erst an, sagt der Revolutionär.

Mit Jibi Menzel und den großen Tschechen begann das wunderbare Genre des osteuropäischen Dorffilms. Dann kam Emir Kusturica, und was vorher eher langsam war, wurde nun fast rasend schnell, was schwarz war, noch schwärzer, was schön war … Kusturica ist zum filmischen Großmeister der Absurditäten geworden, die kaum überlebbare Tragödie, das Lachen und vor allem die Schönheit, die bezwingendste Poesie ausdrücklich eingeschlossen. Man denke an „Underground“, an „Zeit der Zigeuner“ oder „Schwarze Katze, weißer Kater“.

Der erste Film des 1952 geborenen rumänischen Schauspielers und Theaterregisseurs Horatiu Malaele scheint in jedem Augenblick zu rufen: Wer ist schon Kusturica? Aber auch wie man auf der Gratwanderung des Komisch-Tödlichen, des Absurd-Vernünftigen abstürzen kann, hat Emir Kusturica längst vorgemacht.

Rumänien 1953. Auf dem Dorf ist es noch immer, als wären die Russen gar nicht da. Die wohlhabenden Bauern saufen, die Habenichtse erst recht. Frauen beschimpfen ihre Männer, Männer prügeln ihre Frauen, die Kinder schreien. Nein, harmoniesüchtig ist auch Malaele nicht. Wer das Landleben für idyllisch hält, muss Städter sein oder zumindest Westeuropäer. Archaik ist niemals lustig für die Beteiligten, höchstens für die Zuschauer. Und darauf setzt Malaele. Außerdem braucht er diesen denkbar rauen Hintergrund für das, was noch unschuldig ist in all der Seelenrohheit. Der rumänische Sommer ist so ein Paradiesfetzen. Bauer ist, wer keine Augen hat für so viel Schönheit. Unschuldig ist auch das junge Paar Mara und Iancu, wenn es miteinander schläft, und das macht es sehr oft und jedesmal hört es das ganze Dorf, denn Mara (Meda Andreea Victor) klingt dann ein wenig wie alle Dorfhähne zusammen, nur viel schriller.

So weit die längst wohlvertrauten Stilmittel des osteuropäischen Dorffilms, aber das wäre gar nicht schlimm, im Gegenteil. Wenn dieser durchdringend falsche Ton nicht wäre, beinahe in jedem Gesicht, in jeder Einstellung. Lauter Typen, keine Charaktere. Wer erträgt schon ein Dorf voller Originale?

Mara und Iancu (Alexandru Potocean) wollen heiraten, aber da stirbt Stalin und sieben Tage dürfen keine Feste gefeiert werden. Dabei sind alle Schweine schon geschlachtet, alle Kuchen gebacken. Warum nicht Hochzeit halten ohne das allerkleinste Geräusch? Eine schweigende Hochzeit ist eine wunderbare Idee. Leider sagt man sich das auch beim Zuschauen: Eine Idee ist das schon, auch ist all das wirklich passiert, nur hilft das zuletzt keinem Film.

Von Anfang an spüren wir Malaeles eisernen Willen zur Originalität, zum Absurden. Beide sind höchst empfindliche, flüchtige Geister des Augenblicks, also ziehen sie sich diskret zurück.

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