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"Ich, Tomek": Habenichts und Sternengucker

"Ich, Tomek" von Robert Glinski ist ein suggestiver Film über einen Jungen, der sich verloren geht und aus dem doch alles hätte werden können.

Es gibt Gesichter, in deren Jugend sich alle Versprechungen, alle Erwartungen, alle Utopie des Lebens zu spiegeln scheinen. Gäbe es sie nicht, hätte Schopenhauer recht mit seiner Einsicht: Das Leben ist ein Geschäft, dass die Kosten nicht deckt.

Aber selbst Schopenhauer hätte dieses Bonmot ganz sicher beim Anblick des jungen Filip Garbacz verworfen, der in Robert Glinskis berührender, bedrückender Tragödie eines Erwachsenwerdens den 15-jährigen Tomek spielt. Nicht, dass er schön oder auch nur hübsch wäre. Vielleicht sind es seine weit auseinanderstehenden Augen, die den Zuschauer glauben machen, hier sehe einer wie von außen auf die Welt und er ist von ihr höchstens berührbar, nie aber zerstörbar.

Eine zerstörerische Kraft ist es schon, die auch in Polen vor 20 Jahren zu wirken begann. Man nennt sie die Freiheit. Sie hat nicht viel übrig für Habenichtse, zerlegt alle Formen von Gemeinschaftlichkeit, macht nicht einmal vor Familien halt. Und erst recht nicht, wenn man wie Tomek direkt an der deutschen Grenze wohnt. Dabei wird der Junge, anders als sein bester Freund, auf eine Weise groß, die man früher „behütet“ genannt hat. Auch wenn seine schlecht verdienende Krankenschwester-Mutter manchmal etwas entmutigt auf ihren Mann blickt, der bestimmt einmal ein guter Fußballtrainer war oder immer noch ist. Nur bezahlt wird er eher selten.

Es gibt viele, die sich abhandenkommen in unserer Hochbeschleunigungswelt. Und es trifft besonders die Jungen, deren Lebensumrisse noch lose sind und denen die Verheißungen im Materiellen zu liegen scheinen. Tomek ist da anders. Er träumt von den Sternen, genauer: von einem neuen Schulteleskop. Und sein Deutschlehrer (Rolf Hoppe) hat versprochen: Das Fernrohr kommt! Da beginnt nun selbst Tomek, über Fernrohrfinanzierungsmöglichkeiten nachzudenken. Im polnischen Original heißt der Film übrigens „Swinki“ (Schweinchen). So nennen die Polen Kinder und Jugendliche, die sich verkaufen, nicht nur für Geld, auch für Kleidung, Kosmetik oder ein Handy.

„Ich, Tomek“ ist der Film des Filip Garbacz. Mit welcher Scheu und Abscheu er seine Freunde ansieht, die mit den großen Autos, die meist kurz hinter der Grenze halten. Und sie steigen nicht mit leeren Händen wieder aus. Aber er, Tomek? Nie! Glinski zeigt – oft in distanzierten Einstellungen, die den Film fast dokumentarisch wirken lassen –, dass sich das Leben mit solchen Selbstauskünften selten zufrieden gibt. Tomek mag klug sein, das Leben ist klüger. Spätestens als er sich in die hübsche Marta verliebt, die sich neue Zähne wünscht, so weiß wie die ihrer besten Freundin.

„Ich, Tomek“ ist ein suggestiver Film über einen Jungen, der sich verloren geht und aus dem doch alles hätte werden können. Er zeigt zugleich das Bild einer Generation, der vor allem eins fehlt: der Glaube an sich selbst.

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