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Szene aus "Women without Men".

© dpa

Iran-Film: Komm in den Garten

Das Kinodebüt der iranischen Videokünstlerin Shirin Neshat. „Women without Men“ erzählt vier Frauengeschichten in eindrücklichen Bildern.

„Es ist still. Man spürt, dass sich alles wiederholt: Hoffnung, Verrat, Angst.“ Menschen laufen durch die Straßen, sie skandieren politische Schlachtrufe, werden vom Militär zusammengetrieben.Sommer 1953: Für einen kurzen historischen Moment schien ein freies Iran möglich. Doch der Kommentar von Munis (Shabnam Tolouei), die sich in die Menge mischt, er klingt fast wie das Resümee des Sommers 2009: „Alles, was wir wollten, war einen neuen Zustand zu finden.“

Vier Frauengeschichten erzählt „Women without Men“ von Shirin Neshat: Munis leidet unter der Herrschsucht ihres frommen Bruders, der sie von der Welt abschottet. Ihre Freundin Faezeh (Pegah Ferydoni) versteht den Freiheitsdrang nicht: Sie will Munis’ Bruder heiraten. Die Prostituierte Zarin (Orsi Tóth) kann Männern nicht mehr ins Gesicht sehen und flieht aus dem Bordell. Die Generalsgattin Fakhiri hat genug von ihrem stumpfsinnigen Mann: Sie kauft ein Gartengrundstück außerhalb der Stadt. Nach und nach treffen die anderen hier ein, sie leben dort, kultivieren den Garten, geben ein großes Fest. Man spürt: Es ist vielleicht der letzte ausgelassene Abend für eine lange Zeit.

Vier Frauen, ein ganzes Land, sehnen sich nach einen anderen Zustand. Doch der Staatsstreich von 1953, unterstützt von Großbritannien und den USA, macht dem Sommer der Freiheit ein jähes Ende. Es ist dieses Ereignis, dass das Misstrauen gegenüber dem Westen so tief in der islamischen Welt verankerte. Und nicht nur die Islamische Revolution von 1979, auch das Aufbegehren der Oppositionsbewegung 2009 gehen direkt darauf zurück.

Die Videokünstlerin Shirin Neshat hatte sechs Jahre an einer Adaption von Shahrnush Parsipurs Roman „Women without Men“ gearbeitet, als die Proteste in Teheran das Projekt unversehens in einen Kommentar zur Situation im Iran verwandelten. „Women without Men“, in Venedig mit einem Silbernen Löwen ausgezeichnet, wählt die Perspektive der Frauen: Damals wie heute haben sie am meisten zu erdulden. Und damals wie heute gab es diesen kurzen, hellen Moment der Hoffnung; Neshat gelingt es ausgezeichnet, diesen Moment in ihrem Film zu verdichten.

Zentrales Symbol des gefundenen Friedens ist der Garten, ein tief in der persischen Mystik verwurzeltes Bild. Die persische Dichtung ist reich an Bildern und Allegorien. Dieser Reichtum ist zu einem bewährten Mittel geworden im Widerstand gegen eine Zensurbehörde, deren Zugriff auf das kulturelle Leben Irans sich nach der Wiederwahl von Mahmud Ahmadinedschad noch einmal verschärft hat. Schon der Roman von 1990 erzählte seine Geschichten eher verblümt, und Parsipurs magischer Realismus mischt sich gut mit Neshats Vorliebe für das Surreale.

Es sind bestechend schöne Bilder, die die Regisseurin gefunden hat, klar und doch traumverloren, farbgesättigt und kontrastreich, aufgenommen unter der hellen Sonne Marokkos. Zwischen 2004 und 2008 entstanden fünf Videoinstallationen daraus, parallel dazu arbeitete Neshat an der Spielfilmfassung. Aus einer begehbaren Installation, die den Betrachter gewissermaßen zum Koregisseur eines Vierfrauenporträts macht, formte sie eine Erzählung, die einen Weg durch die Bilder vorgibt. Dafür mussten die Porträts erzählerisch angefüttert und mit den politischen Ereignissen verwebt werden: Munis etwa wird zur politischen Aktivistin, die sich (und den Zuschauer) mithilfe des Radios auf dem Laufenden hält.

Manche dieser Beigaben wirken fremd in einem Film, der sich ganz der visuellen Poesie verschreibt. Doch es sind ohnehin nicht die Episoden, es sind die Bilder, die wie Embleme im Gedächtnis bleiben, und die Menschen darin eher Ikonen als Charaktere. Die Frauen konnten sich ihre Freiheit bisher nicht erkämpfen. Neshats Bilder schenken ihnen Frieden – und sei es nur für einen utopischen Augenblick.

Cinema Paris (auch OmU), Filmtheater am Friedrichshain, Kino in der Kulturbrauerei, New Yorck

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