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Jeff Goldblum

© 3L-Filmverleih

Kino: Ein Leben nach dem Holocaust: Jeff Goldblum in seiner besten Rolle

Die Schrecken der NS-Zeit sind gut dokumentiert, was aber aus den Holocaust-Opfern wurde ist nahezu unbekannt. Im neuen Film "Ein Leben für ein Leben" beleuchtet US-Regisseur Paul Schrader diesen Aspekt vernachlässigter Nachkriegsgeschichte in einer schaurigen Groteske.

Es ist einer der trostloseren Orte im jungen Staate Israel: Mitten in der Wüste ragt ein grauer Betonklotz empor, das Seizling-Zentrum für innovative Therapie. Während Anfang der 1960er Jahre ganz Israel verbissen in die Zukunft blickt und die albtraumhafte Vergangenheit hinter sich zu lassen versucht, scheinen sich hier die Schrecken des Holocausts gehalten zu haben. Die Bewohner der ultramodernen psychiatrischen Anstalt sind allesamt Überlebende der Konzentrationslager. Hier sollen sie ihre Traumata besiegen und einen Weg in die Normalität finden. Durchgreifende Therapieerfolge bleiben jedoch aus - nahezu ohnmächtig stehen Institutsleiter Nathan Gross und sein Team den geistig Verwirrten gegenüber: Ein Mann fegt ohne Besen den Boden, eine Frau hält den Arm fortwährend zum Hitlergruß, eine andere hat Visionen vom Erzengel Gabriel.

Kamerafahrt in Seelenabgründe

Jeff Goldblum Willem Dafoe
SS-Kommandant Klein (Willem Dafoe) mit Adam Stein (Jeff Goldblum). -

© 3L

König der Irren aber ist der ehemalige Berliner Varieté-Star Adam Stein (Jeff Goldblum). Der Magier und Clown wird von den übrigen Patienten vergöttert, selbst das Personal kann sich seinem Zauber kaum entziehen. Oberschwester Gina ist Steins Charme gar soweit verfallen, dass sie sich auf demütigende Hund-und-Herrchen-Sexspielchen einlässt. So stark Adam Stein aber auch scheint: Er leidet ebenso unter der Last seiner Schreckenserlebnisse, schwankt zwischen Genialität und Wahnsinn. Er hat Visionen, dann erbricht er Teile seiner Lunge. Immer wieder erinnert er sich an die Zeit im Konzentrationslager, in dem er vom perversen Lagerkommandanten Klein (Willem Dafoe) als Hund gehalten wurde und so überlebte. Erst als eines Tages ein Junge in die Anstalt kommt, der sich für einen Hund hält, beginnt für Stein eine zermürbende Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit.

Ein typischer Holocaust-Film ist "Ein Leben für ein Leben" nicht. Regisseur Paul Schrader ("Ein Mann für gewisse Stunden" und Drehbuch zu "Taxi Driver") beleuchtet äußerst gelungen die zerrissenen Seelenlandschaften der Überlebenden. Als Vorlage für den Film diente der 1968 erschienene Roman "Adam Hundesohn" des israelischen Autors Yoram Kaniuks, der lange Zeit als unverfilmbar galt. Sprüht das Buch noch vor pechschwarzem Humor, zeichnet Schrader im Film mit übersteigerter Symbolhaftigkeit vor allem eine surrealistische Tour de Force durch die menschliche Psyche. Passend sind die größtenteils grotesk und beklemmend wirkenden, farblos gehaltenen Aufnahmen von Kameramann Sebastian Edschmid.

Goldblum als genial-verrückter Magier

Überraschend souverän gibt Jeff Goldblum ("Jurassic Park", "Independence Day") in dieser humorigen, grausamen Geschichte den vielschichtigen Adam Stein. Mal dem Wahnsinn nahe, dann als hypnotischer Charmeur und undurchschaubarer Magier versteht er es wunderbar, den Zuschauer in Steins Seelenabgründe zu ziehen. Es ist wohl seine bisher stärkste Rolle als Charakterdarsteller. Leider hilft das dem Film nicht über manche Längen hinweg, die trotz radikaler Textkürzungen immer wieder aus der an sich packenden Handlung führen.

Das Besondere an "Ein Leben für ein Leben" ist jedoch die israelisch-deutsche Koproduktion, die als erste einen Holocaust-Stoff aufgreift. Schauspieler aus beiden Ländern wie Ayelet Zurer, Joachim Król und Moritz Bleibtreu wirkten gemeinsam vor der Kamera. Das Drama versteht sich so auch als Beitrag zur Aussöhnung; und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem sich auch andere Regisseure mit dem Nationalsozialismus beschäftigen - etwa in "Operation Walküre" oder "Der Vorleser".

"Ein Leben für ein Leben" ("Adam Resurrected"): Regie: Paul Schrader, Darsteller: Jeff Goldblum, Willem Dafoe, Ayelet Zurer, Joachim Król, Kinostart: 19.02.2009

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