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© Neue Visionen

Kino: "Gigante": Durch die Blume

Adrián Biniez’ „Gigante“ war der Überraschungserfolg der diesjährigen Berlinale. Es ist eine stille Liebesgeschichte aus Uruguay über zwei einsame Herzen, die aus Stolz und Schüchternheit nicht zusammenkommen.

Es ist die schönste Liebeserklärung der Welt: Ein kleiner grüner Kaktus steht da einsam und allein, nachts im neonhell erleuchteten Supermarkt. Die Putzfrau biegt mit ihrem Wagen um die Ecke, stutzt, schaut noch mal hin, nimmt ihn vorsichtig auf, und aus der Ferne sieht der Urheber zu, am Überwachungsbildschirm, und lächelt.

Der Gott des Überblicks, das ist der massige Jara (Horacio Camandulle), zumindest für einige Stunden der Nacht. Hockt dann im Kämmerchen, isst sein Wurstbrot, löst Kreuzworträtsel, dröhnt sich über Kopfhörer mit Heavy Metal zu – und beobachtet über die Monitore des Überwachungssystems heimlich die Putzfrau Julia (Leonor Svarcas). Eine Fernbeziehung im gleichen Haus, und eine Zuneigung, die durch den Kaktus spricht.

Sie könnte auch in Berlin spielen, diese Geschichte zweier einsamer Herzen

Adrián Biniez hat mit seinem Debütfilm „Gigante“, der auf dem Talent Campus vor 2005 entwickelt wurde, auf der diesjährigen Berlinale einen Überraschungserfolg gelandet. Der AlfredBauer-Preis und der Preis für das beste Filmdebüt, okay, das war zu erwarten, für diese stille, bescheidene Liebesgeschichte aus Uruguay. Doch der Große Preis der Jury, das war ein Statement, ein Statement für ein Kino vom Rande der Welt, das seine Alltagsgeschichten mit einer ruhigen Selbstverständlichkeit erzählt. Wären die Straßen von Montevideo nicht ganz so still und leer und sonnenerleuchtet, sie könnte auch in Berlin spielen, diese Geschichte zweier einsamer Herzen, die aus Stolz und Schüchternheit nicht zusammenkommen. Am Ende spielt ein Lippenstift eine Rolle, ein Heft mit Strickmustern und eine lange Stunde am Strand.

Dabei entwickelt „Gigante“ zunächst durchaus bedrohliche Züge: Dieser Jara, der sein Gehalt dadurch aufbessert, dass er Türsteher in einem Club ist, hat in seiner Hartnäckigkeit durchaus obsessive Züge, und wer weiß, ob er, der im verzweifelten Aufbegehren gegen Julias Entlassung schon mal den Supermarkt zusammenschlägt, nicht auch zu anderen Gewaltausbrüchen fähig ist. Doch dies ist keine Stalker-Geschichte, sondern ein sanftes Werben um Zuneigung. Am Ende wird alles Warten belohnt.

- Filmtheater am Friedrichshain, Kino in der Kulturbrauerei, Neue Kant Kinos; OmU im Babylon Kreuzberg und Central

Christina Tilmann

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